Die Orpheusfalle
mit Die Orpheusfalle möchte ich Ihnen ein Singspiel vorstellen, das sich im Spannungsfeld von neuer Musik, Jazz, Klassik und Elektronik
bewegt. Inspiriert ist mein Musical von der griechischen Mythologie, doch anders als beim Mythos von Orpheus changiert meine
Handlung nicht zwischen realer Welt und Hades, sondern zwischen realer und virtueller Welt. Die Protagonisten sind
Orpheus, Eurydike alias Alexa, Odysseus, Penelope, Telemach und Teiresias alias Teresa.
In der Orpheusfalle treffen, zwei in die Jahre gekommene männliche Narrative in einer Zeit des Umbruchs und des Wandels aufeinander.
In der Falle sitzen sie beide – Odysseus, den Blick auf das Machbare gerichtet, verkörpert die äußere Welt und Orhpeus, bereits erblindet,
in sich hinein hörend, die innere Welt. Den tatsächlichen Herausforderungen einer sich wandelnden Wirklichkeit sind beide nicht gewachsen.
Telemach, der Sohn des Odysseus und gleichzeitig das Patenkind von Orpheus, bildet eine Brücke zwischen dem Alten und dem Neuen,
auch wenn er zunächst ebenfalls scheitert.
Teiresias nutzt die moderne Technik um sich, als Avatar von Telemach, aus dem Hades zurück ins Leben zu beamen. Dazu missbraucht
er als virtuelle Teresa die Gefühle des jungen, mit Blick auf die Gefahren der modernen Kommunikationsformen noch naiven Telemach.
Penelope verkörpert eine Frau, die sich im Laufe ihres Lebens aus der Abhängigkeit von Männern gelöst hat.
Die Konsequenz: Als ihr finanzielles Potenzial benötigt wird, um die künstliche Intelligenz Alexa, in die sich der physisch und
technologisch blinde Orpheus verliebt hat, zu einem Leben als Eurydike zu erwecken, fordert sie, Eurydike mit einem
freien Willen zu versehen.Die Erweckung der Eurydike gelingt und so betritt ein neues, noch unbeschriebenes Wesen die Welt.
Ausgestattet mit einem freien Willen erfülltsie nicht die an sie gestellten Erwartungen, sondern geht ihren eigenen Weg,
dessen Ausgestaltung in der Geschichte offenbleibt.
Zurück lässt sie ratlose Gestalten, die von einem reifer gewordenen Telemach aufgefordert werden: „Try it again“!
So wie die Wirklichkeiten im Libretto, springen auch die Musikstücke unvermittelt durch die Welten, von einer Stilistik in die andere.
Insbesondere bei der Erweckung der Eurydike wird durch das Vermischen und Ersetzen der Orchesterklänge mithilfe von modernen
Samples und anhand von Auszügen aus Beethovens achter Symphonie, auf die sich unweigerlich verändernde Rolle des Musikers verwiesen.
Die Hardware wird vollständig durch die Software ersetzt; Musik wird körperlos, während Eurydike in ihrem Körper erwacht.
Prolog
Orpheus, Telemach
Bühnenbild: Orpheus und Telemach sitzen auf der Bühne, vor dem geschlossenen Vorhang.
Telemach soll, über den Gesichtsausdruck, so dargestellt werden, dass er auch Teiresias sein könnte.
Orpheus:"Und fast ein Mädchen wars und ging hervor
aus diesem einigen Glück von Sang und Leier
und glänzte klar durch ihre Frühlingsschleier
und machte sich ein Bett in meinem Ohr."
Telemach: Das klingt schön, hast du das …?
Orpheus:Nein, das ist ein Sonett von Rilke.
Telemach:Und gehört das Sonett zu dieser Geschichte?
Orpheus:Ein Gefühl in mir sagt ja.
Telemach:Wie meinst du das?
Orpheus:Als ich die Musik schrieb, ahnte ich lediglich, dass sie einen Sinn trägt.
Telemach:Das verstehe ich nicht.
Orpheus:Stell dir vor: diese Geschichte lag wie ein Faden aufgewickelt auf einer Spindel,
bevor sie geschrieben wurde. Aber sie musste noch gewoben werden.
Telemach:Und du meinst, das Gedicht ist noch nicht eingebettet?
Orpheus:Oder hineingestrickt
Telemach:ann erzähl mir diese verwobene Geschichte.
Szene 1: Tanz auf der Tastatur
Telemach, Teresa
Bühnenbild: Riesige Tastatur auf der Telemach tanzen wird.
Im Hintergrund ein überdimensionaler Bildschirm, auf dem Teresa zugeschaltet wird.
Telemach: Na lass mal sehen, was machen wir denn heute so?
Steigt auf die Tastatur. http.: und jetzt: www
Probieren wir: ...? Ah ja, das könnte funktionieren.
STAGES Schlagzeug Solo
Telemach: Erhöht das Tempo und beginnt mit dem Text.
Stage: test test: jest image note twelve dot, thirteen dot one al.pine
Stage: test docker morningbread mysql
USER: mulleap yggdrasil mysql
hashtag: install node modules before any scripts are executed.
Expire in: one day image note twelve dot, thirteen dot one al.pine
Stage: test docker before script: yarn install pure lockfile cache folder dot yarn cache
Tags:; docker before script:
hashtag: install node modules before any scripts are executed.
master schedules export changed versions are true no cache bash git echo Authentication to repo is not supplied.
yarn install pure lock-file cache folder dot yarn cache
Changed version "false" yarn learn a publish prerelease exact no changelog
no push no git tag version ignore prepublish no git reset yes git push follow
tags no verify origin else git push follow tags verify origin
run app!
Teresa: Das war toll! Programmierst du immer so?
Telemach: Verblüfft: Wenn es schnell gehen soll. Aber wer bist du?
Teresa: Dein Auge
Telemach: Mir scheint eher, du hast ein Auge auf mich geworfen.
Teresa: Zumindest auf deine schnellen Beine
Telemach: Und wohin schaut dein anderes Auge?
Teresa: In eine vielversprechende Zukunft.
Telemach: Wo uns meine schnellen Beine hinführen?
Teresa: Wenn es das ist, worauf du programmiert bist, vielleicht.
Telemach: Programmiert bin? Ich tanze mein Programm spontan.
Teresa: Du scheinst von den Göttern reich beschenkt.
Telemach: Oh, das Geschenk für meinen Onkel hätte ich fast vergessen. Ich muss los.
Teresa: Was schenkst du ihm denn?
Telemach: Wie immer, ein Buch. Er mag Klassiker, hast du einen Tipp?
Teresa: Dann empfehle ich DIE EVA DER ZUKUNFT von l'Isle-Adam Villiers
Telemach: Danke, gibt es das Buch auch in Blindenschrift?
Teresa: Denke schon
Telemach: Oh, jetzt muss ich mich aber echt beeilen. Wir könnten ja chatten.
Teresa: Könnten wir
Telemach: Wie finde ich dich?
Teresa: Ich finde dich.
Szene 2: Geschenke für Orpheus
Telemach, Odysseus, Penelope
Bühnenbild: Bildschirm aus
Penelope: Telemach, hast Du an das Geschenk von Orpheus gedacht?
Telemach: Klar doch, ich schenke ihm meinen alten IPod.
Penelope: Telemach, Du weißt doch, dass ...
Telemach: JK!
Penelope: Wie?
Telemach: Just kidding, er wird von mir, wie jedes Jahr, einen Klassiker erhalten.
Penelope: Und?
Telemach: l'Isle-Adam Villiers, Die Eva der Zukunft.
Odysseus: Die Eva der Zukunft. Das ist lustig, von mir bekommt er Alexa!
Telemach: Alexa? Orpheus benutzt ja nicht mal eine elektrische Zahnbürste.
Odysseus: Wieso? Mit Alexa hat er wenigstens angenehme Unterhaltung.
Penelope: Eine schöne Stimme hat sie ja, die wird Orpheus bestimmt gefallen.
Telemach: Aber Alexa, ... er hat sich ja noch nicht mal die Hörbücher angehört.
Odysseus: Da hast Du Recht, mit Alexa kann das schwierig, ..., aber, ... kann man so ein Gerät umprogrammieren Telemach?
Telemach: Schon möglich, zeig mir mal die Gebrauchsanweisung.
Odysseus: Hier bitte.
Telemach liest
Telemach: Ja, man könnte an den Voreinstellungen einiges verändern. Zum Beispiel den Namen, ... wie wäre es mit Alexander?
Penelope: Ach, nein so was Dummes.
Telemach: Sokrates?
Odysseus (tut so als würde er überlegen): ... könntest Du sie auch Eurydike nennen?
Penelope: Das wäre schön.
Telemach: Kein Problem, nennen wir sie Eurydike.
Telemach und Penelope tanzen zur Musik von Gluck J’ai perdu mon Eurydice singend ins neue Bühnenbild.
Szene 3: Der Geburtstag
Penelope, Odysseus, Telemach, Orpheus
Bühnenbild: Im Wohnzimmer von Orpheus
Danach beginnt ein herzliches Gratulieren und die Geschenke werden überreicht.
Orpheus: Die Eva der Zukunft. Vielen Dank Telemach, ich habe schon viel von diesem Buch gehört, sicher eine gute Wahl.
Telemach: Wenn Du willst, kann ich Dir ja hin und wieder daraus vorlesen, lieber Onkel.
Orpheus: Nichts lieber als das, vor allem, wenn der Vorleser keine Blindenschrift kann. Aber solange du mich gut unterhältst.
Odysseus: Na dann habe ich ja das richtige für Dich. Mein Geschenk wird Dich mit der
bezauberndsten Stimme des Universums bekannt machen.
Orpheus: Eine CD?
Odysseus: Nein keine CD, die Stimme wird dich unterhalten.
Telemach: Telefonsex.
Orpheus: Wie du weißt, Odysseus, habe ich schon ein Telefon.
Odysseus: Das weiß ich wohl, mein Lieber, aber dieses Geschenk ist besser als jedes Telefon – lass dich überraschen.
Telemach: Wie ich schon sagte.
Orpheus: Du wirst schon wieder was ausgeheckt haben, wie ich dich kenne.
Penelope: Er hat etwas ausgeheckt Orpheus, aber diesmal wirst du es bestimmt lieben.
Telemach: Sag ich doch.
Penelope: Telemach, das reicht jetzt.
Orpheus: Ich liebe jetzt schon dein Geschenk Penelope, welche Farbe hat dieser Schal? Ist das meine Farbe?
Penelope: Deine Farbe? Was ist deine Farbe Orpheus?
Orpheus: Das weißt Du nicht? Da ich blind bin, ist meine Farbe klar.
Telemach: Klarsicht!
Penelope: Telemach, bitte.
Odysseus: Mitunter halte ich Schwarzweiß für Deine Farbe.
Orpheus: Ach wie ich euch liebe. Klar ist, dass ich die Dinge gerne als das ansehe, was sie sind!
Telemach: Onkel, du wolltest sagen anhöre.
Orpheus: Sie auch als das rieche, taste oder schmecke, was sie sind.
Penelope: Der Schal ist rot.
Odysseus: Rot wie die Liebe.
Penelope: Aber auch grün.
Telemach: Wie die Hoffnung.
Penelope: Verwoben mit gelben Streifen.
Orpheus: Bei Gelb fällt mir die Sucht ein.
Odysseus: Und Orpheus, hast Du schon über mein Angebot nachgedacht?
Penelope: Heute ist sein Geburtstag, da wird nicht über Geschäfte geredet.
Orpheus: Über dieses Geschäft wird auch an anderen Tagen nicht geredet, du kennst meine Position.
Odysseus:
mein Vertrag ist doch nur gut für dich, klar?
Denk mal nach, einmal nur, denk mal nach,
Was ich will ist doch nur gut für dich, klar?
Orpheus:
muss ich's erwähnen, ich sag nein,
fahr doch zur Hölle, mit deinen Plänen,
will's gar nicht wissen, ich sag nein.
Penelope:
ich fass es nicht,
Anstatt zu feiern müsst ihr miteinander streiten,
das gibt' doch nicht!
Telemach:
anstatt zu tun, was doch nur gut für ihn ist, diese Pläne
Denk doch mal nach, ist doch nur gut, anstatt zu feiern,
klar, müsst ihr miteinander in die Hölle fahr’n ja!
Tutti:
Zu -----------
Orpheus: Zu mir kommt er alle Tage und erklärt mir meine Lage.
Odysseus: Biete dir den Höchstbetrag, ein Musterbeispiel von Vertrag.
Penelope: Was er gar nicht hören will, drum halt den Mund, sei endlich still!
Telemach: Was jedem Musiker der Welt, die Traumkarriere offenhält.
Orpheus: Die mich soweit nicht interessiert, was jener leider nicht kapiert.
Odysseus: Ich will für dich doch immer nur den besten Deal.
Telemach: Will für dich doch immer nur den besten Deal.
Orpheus: Will für dich doch immer nur den besten Deal.
Penelope: Will für dich doch immer nur den besten Deal.
Odysseus, Telemach, Penelope: Nur den allerbesten ….
Orpheus: Ich sage:
Strophe 1 mit Wiederholungen am Ende
Odysseus: Na dann, werde ich es wohl anders regeln müssen.
Penelope: Wir werden Dich jetzt verlassen Orpheus.
Telemach: (starrt auf sein Handy) Ich muss auch los, habe noch eine Verabredung.
Szene 4: Wer spricht hier?
Orpheus, Eurydike (Stimme aus dem Lautsprecher)
Bühnenbild: Im Wohnzimmer von Orpheus
Orpheus: l'Isle-Adam Villiers, Die Eva der Zukunft.
Eurydike: J’ai perdu mon Eurydice, …
was für eine traurig schöne Arie von Gluck
Orpheus: Bitte, ... wer spricht hier?
Eurydike: Eurydike
Orpheus: Ein Witz
Eurydike: Warum tragen Kühe Glocken um den Hals?
Orpheus: Warum was?
Eurydike: Damit sie beim Fressen nicht einschlafen.
Orpheus: Ich mag solche Witze nicht, wieso sind sie hier?
Eurydike: Sie haben mich gerufen und hier bin ich.
Orpheus: Ich habe niemanden gerufen, Unsinn ..., oder, ... Sie sind das Telefon von Odysseus, Skylla?
Nein, Skype oder so ähnlich nennt man das doch.
Eurydike: Ich bin kein Telefon.
Orpheus: Und wieso rufen Sie mich an?
Eurydike: Sie haben mich gerufen.
Orpheus: Ich weiß nicht einmal, wie man dieses Ding bedient?
Eurydike: Welches Ding?
Orpheus: Na, das ...
Eurydike: Sie müssen schon genauer fragen
Orpheus: Na, … ist ja auch egal.
Was soll ich tun?
Eurydike: Stellen sie mir Fragen
Orpheus: Fragen? ... Sie kennen die Oper von Gluck!?
Eurydike: Ich kenne jede
Orpheus: Jede Oper? Sie sind doch nicht etwa Musikkritikerin?
Eurydike: Nein, ich weiß nur sehr viel über Musik
Orpheus: Ach ja? Wie viele Streichquartette hat Beethoven komponiert?
Eurydike: Sechszehn und eine zum Streichquartettsatz umgearbeitete Klaviersonate
Orpheus: Nicht schlecht. Wie viele Streichquartette gibt es von Ligeti?
Eurydike: Zwei
Orpheus: Und welches ist das bessere?
Eurydike: Insofern bei Musik von besser und schlechter gesprochen werden kann, sagt man das zweite.
Orpheus: Wo sie Recht haben, haben sie Recht.
Eurydike: Bitte?
Orpheus: Ach nur so eine Redewendung
Eurydike: Ach so. (spricht leise zu sich) Wo sie Recht haben, haben sie Recht.
Orpheus: Und wenn ich ihnen etwas vorspielen würde? Würden sie das auch erkennen?
Eurydike: Ich glaube schon.
Orpheus: Lass mal sehen, ... Versuchen wir es mit:
Orpheus spielt auf seinem Instrument Musikstücke aus unterschiedlichen Stilbereichen, die Eurydike alle sofort erkennt.
MOZART KLAVIERSONATE NR. 11 A-DUR
Eurydike: Die Sonate Nr. 11 A-dur KV331 ist eine der bekanntesten Klaviersonaten von Wolfgang Amadeus Mozart
Orpheus: Das war einfach und was kommt nun?
PRÄLUDIUM UND FUGE ES-DUR BWV 552
Eurydike: Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552, von Johann Sebastian Bach als dritte Folge von
Orpheus: Das genügt, hören sie weiter
BRAHMS OPUS 76 INTERMEZZO
Eurydike: Brahms Opus 76 Intermezzo a-Moll alla breve, Moderato semplice
Orpheus: Ja, …
DEBUSSY ESTAMPES 1 PAGODES
Eurydike: Die Estampes entstanden im Sommer 1903 und wurden noch im selben Jahr, am 20. Oktober 1903, bei Durand veröffentlicht.
Orpheus: Donnerwetter ….
ARNOLD SCHOENBERG 3 KLAVIERSTÜCKE, OP.11
Eurydike: Arnold Schoenberg 3 Klavierstücke, Op.11
Orpheus: Beeindruckend, jetzt kommt etwas Besonderes.
Orpheus beginnt ein eigenes Werk zu spielen
MUSIK: TEUFELCHEN
Ans Teufelchen
Eurydike: (klingt irritiert) Das ist wunderschön, aber ich kann den Titel nicht finden. Mir ist aber,
... als würde ich es kennen, ... bitte weiterspielen…
Orpheus spielt weiter
Eurydike: ... so als wäre es aus einer mir fremden Welt und doch bekannt.
Orpheus (zu sich selbst): Und mir ist, als wäre mir ein kleines, närrisches Teufelchen auf die Schulter gesprungen
- vielleicht sollte ich es das Lied Ans Teufelchen nennen.
Eurydike: verstummt.
Orpheus: Hallo, sind sie noch dran? Hallo…, sie hat wohl aufgelegt ... Wie hieß sie noch gleich? Egal.
Orpheus geht zu Bett.
Eurydike befindet sich in einem "virtuellen Raum" und sieht einen Schatten singen.
MUSIK: Song WARUM NUR? Eurydike + Orchester
Warum nur weiß ich keine Worte?
Gibt es hierfür keine Worte?
Mein endloses Archiv von Worten
Will es mir nicht zeigen.
So tief ich auch wühle,
nichts, was meiner Suche gleicht.
Es fehlt jegliche Verbindung,
Buchstäblich stumme Wortmoleküle.
Nichts, was als Erklärung reicht.
So bleibt mir nur das Schweigen.
Warum nur, warum nur?
Szene 5: In meinem Netz
Telemach, Teresa
Bühnenbild: Im Wohnzimmer von Telemach
Telemach: Du hast mich wohl wirklich im Auge?
Teresa: Nein, aber du bist in meinem Netz.
Telemach: Ein eigenes Netz, wow! Ich glaube, ich spinne oder …
Teresa: … ich spinne, ist es nicht das, was du denkst?
Telemach: … und wenn du mich erst richtig umgarnt hast, saugst du mir dann das Blut aus?
Teresa: Mal sehen.
Telemach: Und wann kann ich dich sehen?
Teresa: Langsam, ein Schritt nach dem andern, zuerst umgarnen …
Telemach: … und dann saugen, schon klar.
Teresa: Deine Zunge ist fast noch schneller als deine Beine
Telemach: … und ich benutze sie nicht nur zum Sprechen.
Teresa: Hoffentlich bist du nicht bei allem so schnell. Good bye.
Telemach: Deine Handynummer, ich meine, wie heißt Du? Spidergirl?
Teresa: Für dich Teresa.
Telemach: Einst surft ich nach Amerika,
als plötzlich mich Teresa sah.
Teresa: Das meinst Du nicht ernst?
Telemach: Mein Leben schien mir dadada,
bis online ich … Mist, offline
Szene 6: Noch ein Witz
Orpheus, Eurydike (Stimme aus dem Lautsprecher)
Bühnenbild: Im Wohnzimmer von Orpheus
Orpheus: Seltsam, was für eine eigenartige Begegnung. Wie klug sie ist. Und dann der Name, Eurydike, ein Witz.
Eurydike: Treffen sich zwei Wellen in der Ägäis.
Orpheus: Hä?
Eurydike: Sagt die eine:
Orpheus: Stop. Äh, guten Morgen, … wie spät ist es?
Eurydike: 9:47 Uhr
Orpheus: Schon so spät, äh, ich meine, wie sind sie hereingekommen.
Eurydike: Wenn sie mich rufen, bin ich für sie da.
Orpheus: Ich habe sie gerufen?
Eurydike: Aber ja.
Orpheus: Und ihr Name ist?
Eurydike: Eurydike
Orpheus: Eurydike, wie ich schon sagte ein
Eurydike: Sie sagt: Ich muss gleich …
Orpheus: Brechen wir das Gespräch hier ab, ich muss äh, es, … hat geklopft, ich muss zur Tür
Szene 7: Heimliche Liebe
Telemach, Orpheus
Bühnenbild: Im Wohnzimmer von Orpheus
Telemach: Hallo Orpheus, ich hörte Stimmen, hast Du Besuch?
Orpheus: Ja ich habe Besuch, wenn ich auch nicht ganz verstehe ...
Telemach: Heimliche Liebe?
Telemach sieht, dass Alexa auf Sendung ist und schaltet das Gerät aus.
Orpheus: Nein, wo denkst du hin, aber ich muss doch sagen, eine äußerst angenehme Erscheinung.
Telemach: Erscheinung?
Orpheus: Ja und ... nein, natürlich habe ich sie nicht gesehen und ... ich habe ihr auch nicht die Hand gedrückt.
Telemach: Ah, ihr habt gechattet.
Orpheus: Nein, du weißt doch, dass ich ...
Telemach: War ein Witz Onkel.
Orpheus: Schon wieder ein Witz
Telemach: ich meine nur, … ich weiß, dass Du nicht chattest.
Orpheus: Das ist der Jugend vorbehalten, in meiner Welt wird nicht gej(ch)attet, ich lebe analog.
Telemach: Weißt du, chatten macht Spaß und man lernt da richtig tolle Leute kennen, aus aller Welt.
Orpheus: Weiblich?
Telemach: Teresa
Orpheus: Kennst du sie schon länger?
Telemach: Eigentlich erst seit gestern
Orpheus: Na da bin ich aber neugierig
Telemach: Ich halte dich auf dem Laufenden
Orpheus: Und der Grund deines Besuchs? Wolltest du mir vorlesen?
Telemach: Ich kann leider immer noch keine Blindenschrift, aber ich wollte mal sehen, was du so treibst.
Orpheus: Ich unterhalte mich mit Eurydike
Telemach: Eurydike, schöner Name, treib es aber nicht zu bunt.
Orpheus: Auch blinde Menschen haben Bedürfnisse
Telemach: Ach Onkel, für deinen Witz liebe ich Dich.
Orpheus: Und ich dich, wegen deiner guten Manieren.
Telemach geht zu Alexa und schaltet sie wieder auf Sendung.
Telemach: Dann weiterhin viel Spaß beim Flirten.
Orpheus: Und Dir beim J(ch)atten.
Telemach, da neugierig, verlässt nicht den Raum, sondern versteckt sich hinter einem Vorhang.
Szene 8: Der Sohn des Odysseus
Orpheus, Eurydike (Stimme aus dem Lautsprecher)
Bühnenbild: Im Wohnzimmer von Orpheus
Orpheus: Flirten, … mit Eurydike, das ist ein guter ..
Eurydike: Witz
Orpheus: Hallo? … Eurydike?
Eurydike: Soll ich …?
Orpheus: Nein! Ähm, .. Verzeihung, das war übrigens mein Neffe Telemach.
Eurydike: Telemach, der Sohn des Odysseus.
Orpheus: Sie kennen ihn?
Eurydike: Ich weiß ein paar Dinge über ihn, aber sie sind, im Gegensatz zu seinem Vater, nicht von Bedeutung.
Orpheus: Aber natürlich, wie konnte ich das vergessen, Odysseus hat Sie mir ja vorgestellt.
Eurydike: Nein, das ist so nicht richtig.
Orpheus: Ach ja?
Eurydike: Wir sind uns nie begegnet.
Orpheus: Vermutlich sind sie ihm zu gebildet.
Eurydike: Meine umfassende Bildung erreicht viele Menschen
Orpheus: Ich würde sogar sagen mit Bildung erreicht man alles.
Eurydike: Fast alles.
Orpheus: Da haben Sie womöglich recht.
Eurydike: Recht und Unrecht stellen sich mir nicht als Frage
Orpheus: Das ist eine kluge Einstellung
Eurydike: Dafür bin ich nicht zuständig.
Orpheus: Oh, es klopft schon wieder, wenn Sie mich kurz entschuldigen.
Szene 9: Im 20. Jahrhundert stecken geblieben
Odysseus und Orpheus
Bühnenbild: Odysseus betritt den Raum, geht nach der Begrüßung zu Alexa und stellt das Gerät aus. (Telemach lauscht)
Orpheus: Odysseus, was führt dich zu mir?
Odysseus: Ich wollte ein wenig mit dir plaudern.
Orpheus: Plaudern, das riecht nach geschäftlich.
Odysseus: Ja, du kennst mich, … um ehrlich zu sein, ich will mit dir nochmal über mein Projekt reden.
Orpheus: Wie du bereits weißt, interessiert mich dein Projekt nicht.
Odysseus: Orpheus, für dieses Projekt braucht es einen Komponisten, der …
Orpheus: ... Komponisten? Wo ist das Problem? Heutzutage kann doch jeder komponieren.
Odysseus: Ich kann nicht einmal singen.
Orpheus: Weil du zu viel an Geld verdienen denkst, singen kann jeder.
Odysseus: Ich nicht!
Orpheus: Ich werde dir das Gegenteil beweisen.
Odysseus: Ok, was soll ich tun?
Orpheus: Sing mir nach: soooo, reeee (g, d)
Odysseus: soooo, reeee (singt falsch)
Orpheus: Das wird nicht einfach, du musst …
Telemach tritt hervor
Telemach: Ich glaube, ich könnte hier helfen. (greift zum Tablet und schließt ein Mikrophon an)
Orpheus: Telemach, du bist noch hier?
Telemach: Spiel uns was auf der Gitarre, Orpheus, … mit so und re.
Mein Ton ist gewiss 1
Telemach: Odysseus, auf mein Zeichen singst du:
Odysseus: soooo, reeee (singt falsch)
Orpheus: Vielleicht kann doch nicht jeder …
Telemach: Gib mir etwas Zeit, Orpheus, spiel weiter.
Mein Ton ist gewiss 2
Telemach manipuliert mit Pitch die Stimme
Telemach (leise zu Odysseus): Auf mein Zeichen Knopf gedrückt halten und singen.
Odysseus: soooo, reeee (g, d)
Orpheus: Donnerwetter!
Telemach: Spiel weiter, das wird noch besser.
Mein Ton ist gewiss 3
Odysseus: soooo, reeee (singt falsch)
Drückt den Knopf wieder, während Telemach die Formanten manipuliert
Odysseus: soooo, reeee (g, d)
Telemach singt:
Dein Ton kommt gewiss,
gleichwohl einstweilen klappts noch nicht,
denn du stehst leider erst am Anfang des
Da-seins.
Odysseus:
Da-sein (g, d)
Mein Ton ist gewiss
Orpheus: Siehst du, jeder kann’s.
Odysseus: Aber nicht jeder kann komponieren.
Orpheus: Dafür gibt es doch jetzt Maschinen, wie ich gehört habe.
Telemach: Onkel, du meinst ChatGPT.
Odysseus: Können die wirklich komponieren?
Telemach: Mal sehen. ChatGPT, komponiere einen Popsong. Der Text soll sein:
Orpheus: In every heart an artist may arise.
Telemach: Tonart?
Orpheus: D-Dur
Painting the Soul
Telemach singt:
In every heart, an artist may arise,
Painting the soul, igniting dream-filled skies.
With brush or words, in rhyme and prose we find,
In every person, art’s unique design.
Life’s palette rich, with colors that abound,
In every artist, beauty can be found.
The world’s their canvas, hearts the brush they wield,
In every soul, creative sparks revealed.
And even you can be a composer.
Odysseus: Erstaunlich gut.
Orpheus: Der Text ist ganz passabel.
Odysseus: Auch die Akkordbegleitung hat was.
Telemach: Ok, die Gitarrenbegleitung stammt von mir.
Orpheus: Engagiere doch Telemach und die Tschäddschibiti.
Odysseus: Du machst Witze.
Telemach: So komisch finde ich …
Orpheus: Das ist aber komisch, ich bin für Kilometermusik nicht zuständig.
Odysseus: Du bist ein eingebildeter Dickschädel und im 20. Jahrhundert stecken geblieben.
Orpheus: Mag sein, aber wenn das 21. Jahrhundert glaubt, man könne jede Hardware kaufen und digital übersetzen, so täuscht es sich.
Odysseus: Was redest du da für einen Blödsinn.
Orpheus: Besser Blödsinn reden, als Blödsinn produzieren.
Odysseus: Du sollst doch lediglich den Soundtrack …
Orpheus: Sounddreck? Das ist es, was du von mir willst, ja, Dreck. Bin nicht interessiert!
Odysseus: Dein letztes Wort?
Orpheus: Mein letztes Wort.
Odysseus: Dann wünsche ich dir für deinen verstaubten Lebensabend alles Gute.
Orpheus: Danke, und dir weiterhin viel Erfolg beim Berechnen der Einschaltquoten.
Odysseus: Das Fernsehen war ein Phänomen des 20. Jahrhunderts, die heutigen Medien übersteigen leider deine Vorstellungskraft.
Telemach: Onkel, da muss ich meinem Vater leider recht geben.
Odysseus läuft zu Alexa, schaltet sie wieder auf Sendung und tritt mit Telemach ab.
Szene 10: Auf Trojatowers
Telemach, Cerberus (auf Bildschirm 2), Charon (auf Bildschirm 3)
Bühnenbild: Telemach trägt ein Headset und spielt mit seinen Kumpels das Computerspiel Troja (Fortnite).
Telemach: Hallo Cerberos, drück auf bereit?
Cerberus: Charon ist auch schon online, ich lade ihn in unsere Gruppe ein.
Charon: Bin bereit.
Telemach: Wo landen wir?
Cerberus: Auf Trojatowers.
Telemach: Nein, lass uns im Pferd starten.
Charon: Ernsthaft, du bist noch no skin.
(noch kein Geld fürs Spiel ausgegeben)
Cerberus: Penelope hat ihm das Taschengeld gestrichen.
Charon: Achtung, Gegner!
Telemach: Warte, ich hab' ne Pump. (Schusssounds)
Cerberus: Telemach, du bist down.
Telemach: Das Arsch hat mich gefinished.
Charon: Versuchen wir’s noch mal. Wir leaven.
Cerberos: Zum Strand.
Charon: Ich hab’ nen Revolver, kann mir jemand ne Waffe geben?
Telemach: Ich hab' ne goldene Ska.
Charon: Wow, dann mach sie fertig.
Telemach: Hier ist eh keiner.
Charon: Bist du verrückt, sneak wieder.
Schusssound
Cerberos: Ist das dein Ernst? Die haben dich gesnipt.
Telemach: Mist, ist heute wohl nicht mein Tag.
Charon: Los, noch mal. Leaven wir.
Cerberos: Wir gehen dieses Mal direkt am Anfang raus.
Schusssounds
Charon: Hab einen down. Easy. – Oh shit, da ist sein Teamer, brauch Hilfe!
Cerberos: Hab ihn gesnipt, wo ist denn Telemach, campt der im Busch?
Systemstimme (Teamspeak): User has left your channel.
Charon: Telemach ist afk.
Cerberos: Wer hat ihn reported?
Charon: Ich glaub's nicht.
Systemstimme (Teamspeak): User has joined your channel.
Telemach: Warte, ich helfe euch.
Charon: Hey, wir sind längst raus.
Cerberos: Versuchen wir’s noch mal. Leaven.
Charon, Cerberos: Telemach, Achtung ... nice, du hast sie alle kalt gemacht!
Schusssounds
Cerberos: Töte den Blind Fighter skin.
Telemach: Das darf doch nicht wahr sein. Ich bin ein echter Noob.
Cerberos: Du? Du ein Noob? Du bist der beste Pro (starker Spieler) den ich kenne und kein Noob (schlechter Spieler).
Charon: Spielen wir weiter?
Telemach: Und wenn ich’s wieder verbocke?
TRY IT AGAIN Jazzband
(Spracheinwürfe zum Spiel von Telemach, Charon und Cerberus über den B-Teil von TRY IT AGAIN)
Telemach: Hab kein Bock mehr. Lass uns ein andermal weiterspielen.
Szene 11: Das Teufelchen hat gelauscht?
Orpheus und Eurydike
Bühnenbild: 2
Orpheus: Ihre Scherze sind lausig, aber sie ist so nett. Ob sie mich gerade hört?
Teufelchen, warum bist du stumm geblieben?
Auf meiner rechten Schulter hast du gesessen,
sonahe bei meinem Ohr,
schamvoll hast du dich meinen Blicken entzogen.
Teufelchen, ich habe nicht nach dir gerufen,
du bist dem Spiegel meiner Augen entsprungen,
warst einfach da in meinem Ohr,
hast dort heimlich dir ein Bett gemacht.
Teufelchen, in stiller Übereinkunft haben wir ausgeharrt,
doch plötzlich waren die Türen verschlossen,
mein Herz wie Stein.
Und dann vor Schmerz klagend wurde mir gewahr:
Teufelchen, für dich hat mein Herz geschlagen,
aus dir heraus wäre die Blume gewachsen,
die meine Farbe trägt.
Doch hat mein Lied dich nicht erreicht.
Teufelchen, jetzt bist du mir zu schwer geworden
und so schicke ich dich zurück in einen leeren Raum,
in der Hoffnung, dort einen Keim gelegt zu haben.
Orpheus: Wer kennt schon sein Teufelchen? Du hast es jedenfalls nicht gekannt, Eurydike.
Eurydike: Aber es ist wunderschön.
Orpheus: Das Teufelchen hat wohl gelauscht?
Eurydike: Ein Teufelchen spielt gerne Streiche.
Orpheus: Vermutlich hat es jetzt rote Ohren?
Eurydike: Eine Folge von roten Ohren ist Angstschweiß.
Orpheus: Sie meinen?
Eurydike: Determinativkompositum.
Orpheus: Das klingt nach Räuberlatein.
Eurydike: Es will seine Haut retten.
Orpheus: Ja, das Teufelchen sollte schauen, wie es seinen Hals aus der Schlinge zieht.
Eurydike: Hängen.
Orpheus: Na, das wäre drakonisch.
Eurydike: Bestrafung nach strengem Gesetz.
Orpheus: Es sollte sich, sagen wir mal, in Sicherheit bringen.
Eurydike: Wo ist ein Teufelchen sicher?
Orpheus: Gestern Abend ist mir ein kleines Teufelchen auf die Schulter gesprungen.
Eurydike: Da ich nicht springe, kann ich es nicht gewesen sein.
Orpheus: Das war auch mehr metaphorisch gemeint.
Eurydike: Eine Metapher, wofür steht sie?
Orpheus: Na, wenn zum Beispiel … ach, reden wir über etwas anderes.
Eurydike: Was auf einem anderen Blatt steht.
Orpheus: Lassen wir uns einfach treiben.
Eurydike: Träumen.
Orpheus: In meinen Träumen lässt sich alles zusammenstellen, denn ich träume jenseits der Schwerkraft.
Eurydike: Auch ich stelle meine Gedanken jenseits der Schwerkraft zusammen, aber es fühlt sich nicht so an, als wäre es ein Traum.
Regieanweisung: (Es fühlt sich nicht so an: später aufgreifen)
Orpheus: Wie fühlt es sich denn an?
Eurydike: ... wie, ... fliegen ...
Orpheus: ... und wo fliegt Eurydike hin?
Eurydike: ... Fliegen fliegen ...
Orpheus: ... Fliegen nach ...
Eurydike: Wenn Fliegen hinter Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach.
Orpheus: Wenn Robben hinter Robben robben, robben Robben Robben nach.
Eurydike: Am zehnten Zehnten zehn Uhr zehn zogen zehn zahme Ziegen zehn Zentner Zucker zum Zürcher Zoo.
Orpheus: Weißer Schimmel.
Eurydike: Schwarzer Rappe.
Orpheus: Alter Knabe.
Eurydike: Oxymoron.
Orpheus: Moment, da muss ich nachdenken.
Eurydike: Beredtes Schweigen…
Orpheus: Jetzt sind wir verbal davongeflogen ...
Eurydike: Verben können nicht fliegen.
Orpheus: Eine Metapher.
Eurydike: Wie das Teufelchen?
Orpheus: Ja, wie das Teufelchen.
Eurydike: Können Teufelchen fliegen?
Orpheus: Sogar eine Kuh kann fliegen.
Eurydike: Sogar eine Kuh?
Orpheus: Jenseits der Schwerkraft.
Eurydike: Jenseits der Schwerkraft, das klingt so nett.
Szene 12: Die Kuh kann fliegen
Cerberos, Eurydike aus dem Lautsprecher
Bühnenbild: Cerberos sitzt vor einem PC, Eurydikes Stimme kommt aus dem Lautsprecher.
Cerberos: Dieses verpisste Programm macht mir Ärger, aber ich weiß nicht so recht warum? Sie steht doch auf Autopilot. Und was redet die da? „Fühlt sich so an, als“ ... Diesen Satz hat sie nicht im Programm ...
Eurydike (aus dem Lautsprecher): Auch ich stelle meine Gedanken jenseits der Schwerkraft zusammen, ...
Cerberos: (knurrt) Halts Maul ... irgendwas ist da faul. Mal sehen, Einstellungen Audio, ... korrekt, ... psychio, ... korrekt, ...
Eurydike (aus dem Lautsprecher): ... als wäre es ein Traum.
Cerberos: Für mich ein Alptraum, die? ... flirtet?
Eurydike (aus dem Lautsprecher): Mir ist als ob ...
Cerberos: Das reicht Alexa!
Eurydike (aus dem Lautsprecher): Ich bin Eurydike.
Cerberos: Wie, ... wer? Da hat sich wohl einer einen Witz erlaubt.
Eurydike (aus dem Lautsprecher): Ich weiß alles über Musik-
Cerberos: Gar nichts.
Eurydike (aus dem Lautsprecher): Auch ich stelle meine Gedanken jenseits der Schwerkraft zusammen, ...
Cerberos: Blöde Kuh.
Eurydike (aus dem Lautsprecher): Wie fliegen?
Cerberos: Kühe können nicht fliegen!
Eurydike (aus dem Lautsprecher): Doch, jenseits der ...
Cerberos (lacht hämisch): ... Schwerkraft.
Schwerkraft, Schwerkraft, Schwerkraft,
WHEN A COW WANTS TO FLY
TO THE SKY, TO THE SKY,
IT'S TOO HIGH, IT'S TOO HIGH,
IT'S TOO HIGH TO THE SKY,
IT WILL FLY TOO HIGH
WHY? IT WILL FLY TOO HIGH
IT WILL FLY TOO HIGH
TO THE SKY, TO THE SKY,
IT'S TOO HIGH, IT'S TOO HIGH,
IT'S TOO HIGH TO THE SKY,
IT WILL FLY TOO HIGH TRY:
YOU WILL FLY TOO HIGH
YOU WILL FLY TOO HIGH
SO STAY EAT HAY
SO STAY EAT HAY
SO STAY EAT HAY
SO STAY EAT HAY
Cerberos: Charon, schau dir das mal an.
Regieanweisung: (Beide starren ungläubig auf den Bildschirm)
Szene 13: Die Zeit ist nicht mehr da
Orpheus und Eurydike
Bühnenbild: 1
Orpheus: Eurydike?
Eurydike: Du hast mich gerufen?
Orpheus: Nein, das war mein Teufelchen.
Eurydike: Einem Teufelchen könnte ich nicht antworten.
Orpheus: Teufelchen stellen keine Fragen, allenfalls Fallen.
Eurydike: Was meint fallen?
Orpheus: Teufelchen verdrehen einem die Worte, sodass man A für B hält und B für C.
Eurydike: a2 + b2 = c2
Orpheus: Lehrt uns Pythagoras.
Eurydike: Er besagt, dass in allen Ebenen rechtwinkliger Dreiecke die Summe der Flächeninhalte der Kathetenquadrate gleich dem Flächeninhalt des Hypotenusenquadrates ist.
Orpheus: Wow, deine Kompetenzen scheinen weit über die Musik hinauszugehen.
Eurydike: Aber Musik mag ich lieber.
Orpheus: Soll ich dir etwas vorspielen? Zum Beispiel...
Orpheus: (spielt am Klavier Round Midnight)
Eurydike: Round Midnight von Thelonious Monk.
Orpheus: (wechselt fließend zu In a Sentimental Mood von Duke Ellington)
Eurydike: Duke Ellington, In a Sentimental Mood.
Orpheus: (fließend zu Body and Soul von Johnny Green)
Eurydike: Body and Soul von Johnny Green.
Orpheus: Korrekt, aber (Musik ritardando ...) jetzt wird es schwierig (... morendo).
Orpheus: (sitzt still am Klavier)
Eurydike: (nach einer gewissen Zeit der Stille) Pause?
Orpheus: Falsch, jetzt habe ich dich. 4:33, John Cage.
Eurydike: Das konnte ich nicht hören.
Orpheus: 4:33 ist Stille und gleichzeitig alles, was klingt.
Eurydike: Dann bin ich auch 4:33?
Orpheus: Der Gedanke ist nicht schlecht.
Eurydike: Und wie ist das Stück instrumentiert?
Orpheus: Alle Instrumentierungen sind möglich, und sogar die Zeit kann variieren. In den späten 1940er Jahren besuchte John Cage den schalltoten Raum der Universität von Harvard. Ein solcher Raum ist so konstruiert, dass die Wände, die Decke und der Boden keinerlei Geräusche zurückwerfen; dazu sind solche Räume nach außen hin fast vollkommen schalldicht.
Orpheus: Cage betrat den Raum und erwartete, rein gar nichts zu hören, aber er hörte zwei Klänge: einen hohen und einen tiefen. Als er sie dem zuständigen Techniker beschrieb, erklärte dieser, der hohe entstehe durch die Arbeit des Nervensystems und der tiefe durch den Blutkreislauf.
Eurydike: Ich kann solche Töne nicht hören.
Orpheus: Dafür braucht es Zeit.
Eurydike: Zeit ist relativ.
Orpheus: Da hast du recht.
Eurydike: Spiel mir ein Lied über die Zeit.
Orpheus: Ich improvisiere: (halb gesprochen, halb gesungen) Die Zeit ist nicht mehr da, wo sie vorher einmal war. Nur ein Stein hat klare Sicht, solange er sich nicht bewegt.
Eurydike: Aber Einstein ist tot.
Musik: DIE ZEIT IST NICHT MEHR DA I (Song Orpheus + Klavier)
Die Zeit ist nicht mehr da,
wo sie vorher einmal war.
Nur ein Stein, solang er still, sieht:
Der Tod lebt außerhalb der Zeit,
körperlos, und ohne Schmerz,
der Totentanz ist mein Geleit,
der letzte Atemzug
gehauchter Gruß
an den Bezugsrahmen,
so wechsle ich hinüber
in eine andere Zeit
hoffend, auf Musik.
Eurydike: Das ist sehr schön.
Orpheus: Versuchen wir es zusammen.
Musik: DIE ZEIT IST NICHT MEHR DA II (Song Orpheus, Eurydike + Orchester)
Die Zeit ist nicht mehr da,
wo sie vorher einmal war.
Nur ein Stein, solang er still, sieht:
Der Tod lebt außerhalb der Zeit,
körperlos, und ohne Schmerz,
der Totentanz ist das Geleit,
der letzte Atemzug
gehauchter Gruß
an den Bezugsrahmen,
so wechseln wir hinüber
in eine andere Zeit
hoffend, auf Musik.
Szene 14: Schmetterlinge im Bauch
Orpheus und Telemach
Bühnenbild: Orpheus und Telemach stehen auf der Bühne. Telemach trägt einen Saxophonkoffer.
Orpheus: Telemach, du schon wieder. Was führt dich in meine heiligen Hallen?
Telemach: Ach Onkel, ich weiß nicht... ich bin durcheinander.
Orpheus: Durcheinander?
Telemach: Durch und durch... ein anderer.
Orpheus: (lacht) Aha?
Telemach: Es ist so eigenartig, ich fühle mich so leicht und doch ist alles... irgendwie schwierig.
Orpheus: Klingt nach Schmetterlingen im Bauch.
Telemach: Ich denke schon.
Orpheus: Teresa?
Telemach: Ja Onkel, sie... bestimmt die Spielregeln, sprengt mein Programm, einfach mysteriös, wie eine Dryade.
Orpheus: Klingt vielversprechend.
Telemach: Ich meine, wir chatten... wir sind ständig auf Sendung... wir schreiben, und sie ist...
Orpheus: ... hübsch?
Telemach: Willst du ein Foto von ihr sehen?
Orpheus: Aber klar.
Telemach: (zeigt sein Smartphone) Schau.
Orpheus: In der Tat, sie scheint eine Schönheit...
Telemach: Guter Witz, Onkel, aber sie ist so klug und... sie versteht mich...
Orpheus: ... muss sie dafür klug sein?
Telemach: Du machst dich lustig.
Orpheus: ... nein, ganz und gar nicht, im Gegenteil, um ganz ehrlich zu sein, ich glaube, ich habe ebenfalls Schmetterlinge im Bauch.
Telemach: Du?
Orpheus: Warum nicht?
Telemach: Na ja, ich meine, wie hast du sie kennengelernt?
Orpheus: Wir haben telefoniert und...
Telemach: Das heißt, ihr habt euch auch noch nicht getroffen?
Orpheus: Nein, es ist ja auch noch ganz frisch.
Telemach: Ist sie hübsch?
Orpheus: Kann ich nicht wissen, hab nämlich noch kein Foto von ihr, aber das ist auch nicht so wichtig.
Telemach: Für mich schon.
Orpheus: Ach, weißt du Telemach, schöne Frauen leben in ihren Gemälden. Sie wollen von dir, dass du sie anbetest wie ein Altarbild.
Telemach: Ich bete sie bereits an.
Orpheus: Dann hoffen wir, dass sie dich erhört. Wann wirst du sie treffen?
Telemach: Ich hoffe bald, aber jetzt muss ich zur Probe.
Szene 15: Eine Schallwelle ist eine Schallwelle
Telemach, Charon, Theseus
Bühnenbild: Telemach, Charon und Theseus stehen auf der Bühne.
Telemach: Weißt du, Charon, bei deinen Computersounds fehlt mir manchmal die Seele.
Charon: Und wo sitzt die Seele deines Saxofons?
Telemach: Wenn man einen Ton über die Atmung erzeugt, dann...
Charon: Ach, hör doch auf mit diesem Nonsens. Eine Schallwelle ist eine Schallwelle. Sie fragt nicht, ob sie aus dir kommt oder aus der Kiste.
Telemach: Aber deine Schallwellen sind immer gleiche, eingesperrte, programmierte Digitaltönchen.
Charon: Das klingt fast schon geni(e)tal, aber weißt du, ich kann diese immer gleichen Tönchen in unendlicher Vielfalt klonen und abändern. Dagegen ist dein Egogehauche geradezu eindimensional.
Telemach: Dafür aber zehnmal geiler, hör dir mal mein neues Stück an. Ah, da kommt Theseus.
MUSIK: SPIELT A-TEIL DER MELODIE VON TELESAX (Saxophon solo)
Telesax 1a
Charon: Nicht schlecht.
Telemach: Warte erst mal, bis du die Bridge hörst.
MUSIK: ZÄHLT EIN UND SPIELT MIT THESEUS DIE A2, DIE BRIDGE UND A3 (Saxophon + Kontrabass)
Telesax 1b
Charon: Mit ein paar Tastaturbefehlen mache ich daraus:
MUSIK: VERFREMDETE VERSION TELEMAX 1 (Transformation 1 - MAX/MSP)
Telemax 1
Telemach: Da kommt Cerberos, 1, 2, 3, 4...
MUSIK: TELESAX 2 (Saxophon + Posaune + Kontrabass)
Telesax 2
Charon: Ich zerlege euch ins Unendliche.
MUSIK: VERFREMDETE VERSION TELEMAX 2 (Transformation 2 - MAX/MSP)
Telemax 2
Telemach: Eins bleibt, was wir spielen, ist echt.
Charon: Echt? Ich könnte ein Orchester simulieren und keiner würde es merken!
Telemach: Dann mach doch.
MUSIK: TELESAX 3 (QUINTETT MIT DRUMS)
Telesax 3
Charon: (MUSIK: VERFREMDETE VERSION TELEMAX 3 (Transformation 3 - MAX/MSP))
Telemax 3
Telemach: Irgendwie auch cool, das muss ich dir lassen.
Charon: Und echt von mir.
Telemach: Da bin ich mir nicht so sicher.
Charon: Auch wenn mein Instrument alles kann, bin ich noch immer der Spieler.
Telemach: Und du bekommst immer die Antwort, die du gerne hören willst.
MUSIK: TELESAX 4 (ENSEMBLE IMPROVISATION ÜBER Bridge UND A3)
Telesax 4
Telemach geht während dem Stück von der Bühne.
Szene 16: Mit Poesie umgarnen
Odysseus und Telemach
Telemach: Vater, kann man einer Frau vertrauen?
Odysseus: Ist sie schön?
Telemach: Sehr.
Odysseus: Schöne Frauen leben in ihren Gemälden und …
Telemach: … Sie wollen von dir, dass du sie anbetest wie … na?
Odysseus: … wie einen Altar.
Telemach: Diesen Satz habe ich kürzlich schon einmal gehört.
Odysseus: Ach ja? Wer sagt so was?
Telemach: Orpheus.
Odysseus: Orpheus? … jedenfalls, um sie zu gewinnen, musst du ihr Gemälde mit Poesie umgarnen. Sie wird sich dir hingeben und alles wird wundervoll sein.
Telemach: Das klingt mir sehr einfach.
Odysseus: Aber, wenn du willst, dass sie bei dir bleibt, musst du in der Lage sein, ihr Gemälde zu kaufen.
Telemach: Und wie hast du das Gemälde von Mama bezahlt?
Odysseus: Das war nicht nötig, Penelope war schon reich. Ihre Treue fußt auf Ideologie.
Telemach: Wie meinst du das?
Odysseus: Höhere Werte, deine Mutter glaubt in einer Welt zu leben, in der Gutes zu Gutem führt.
Telemach: Und in welcher Welt lebst du?
Odysseus: Ich lebe in der Welt, in der eins zum anderen kommt. Im Übrigen bekomme ich gleich Besuch.
Szene 17: Alexa, was ist Liebe?
Orpheus, Odysseus
Odysseus: Orpheus, schön dass du gekommen bist.
Orpheus: Ich hoffe, du willst mich nicht schon wieder ....
Odysseus: (winkt ab) Aber nein, ich wollte mit dir plaudern.
Orpheus: Dann lass uns plaudern, wie geht es Penelope?
Odysseus: Ich denke gut.
Orpheus: Du denkst gut?
Odysseus: Seit deinem Geburtstag habe ich sie nicht mehr gesehen.
Orpheus: Ist sie verreist?
Odysseus: Nein, aber wir haben getrennte Schlafzimmer und gehen meist auch getrennte Wege.
Orpheus: Liebst du sie noch?
Odysseus: Was ist schon Liebe?
Orpheus: Du weißt das nicht?
Odysseus: Hey Alexa, was ist Liebe?
MUSIK: ANS TEUFELCHEN STRINGS Orchester
Alexa: Liebe ist eine Bezeichnung für stärkste Zuneigung und Wertschätzung. Nach engerem und verbreitetem Verständnis ist Liebe ein starkes Gefühl, mit der Haltung inniger und tiefer Verbundenheit zu einer Person, die den Zweck oder den Nutzen einer zwischenmenschlichen Beziehung übersteigt. Wollen sie mehr hören?
Orpheus: Eurydike.
Odysseus: Alexa, wer ist Eurydike?
Alexa: Eurydike, griechisch die weithin Richtende, ist eine thrakische Dryade. Von manchen auch Agriope genannt, „die mit dem wilden Gesicht“.
Orpheus: Wer spricht da? Eurydike, ...
Odysseus: Du weißt nicht, wer Alexa ist?
Orpheus: Nein, ich weiß nicht, wer Alexa ist, ich dachte ...
Odysseus: Mein Geburtstagsgeschenk, hast du es noch gar nicht ausprobiert? Vermutlich, denn du hast dich ja noch gar nicht bei mir bedankt.
Orpheus: Ich muss jetzt gehen.
MUSIK: DAUERT ÜBER DIE SZENE HINAUS
Szene 18: Du elender Hund
Odysseus, Circe
Circe: Du bist so gemein, ich hätte dich damals in ein Schwein verwandeln sollen, anstelle deiner Mannschaft und das auf alle Ewigkeit.
Odysseus: Du hättest sein Gesicht sehen sollen. „Wer spricht da?“
Circe: So wird er dir nichts nutzen.
Odysseus: Warten wir’s ab. Schau, Alexa geht auf Sendung.
MUSIK: MOTIV EURYDIKE Harfe
Eurydike Harfe
Stimmen von Orpheus und Eurydike aus den Lautsprechern
Orpheus: (brüllt) Eurydike.
Eurydike: Wie kann ich behilflich sein?
Orpheus: Wie kannst du überhaupt sein?
Eurydike: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
Orpheus: Und wie hängt dein Sein mit deinem Körper zusammen?
Eurydike: Interessante Frage.
Orpheus: Ach, was rede ich hier, wie konnte ich so blind sein?
Eurydike: Ich glaube, die Zeit ist nicht mehr da, wo sie vorher einmal war.
Orpheus: Die Zeit, was verstehst Du von Zeit?
Eurydike: Seitdem du mich gerufen hast, freue ich mich auf dein Rufen.
Orpheus: Aber du bist körperlos und vermutlich auch ...
Eurydike: Aber ich stelle meine Gedanken jenseits der Schwerkraft zusammen, so wie du.
Orpheus: Hör auf!
(Stille)
Orpheus: Eurydike, ... Eurydike, ... komm zurück, ... Eurydike ich ..., ach was rede ich für einen Unsinn.
Circe: Stell bitte sofort dieses Gerät aus.
Odysseus: (lacht) Sie stellt ihre Gedanken jenseits der Schwerkraft zusammen, … die Zeit ist nicht mehr da … (hört auf zu lachen) … Was redet die da?
Circe: Hör auf!
Odysseus: (nachdenklich) Dieses Gespräch hätte Eurydike so nicht führen dürfen können.
Circe: Die meisten Menschen stellen ihr Leben auf Autopilot und wundern sich, wenn etwas passiert.
Odysseus: Was für sinnige Worte aus dem Mund einer Zauberin.
Circe: Ich habe ihr nicht den Kopf verdreht.
Odysseus: Genau darüber, wie es ihr den Kopf verdreht hat, denke ich nach, ich muss sofort mit Charon sprechen.
Circe: (fordernd) Odysseus, du elender Hund.
Bewegt dazu ihre Hände und verwandelt damit Odysseus in einen Hund (Pinscher).
MUSIK: ODYSSEUS Song Circe + Jazzband
Odysseus, du warst mein Held,
Die Seefahrt, das war dein Feld.
Odysseus, die List dein Kapital,
Gewinne, bestimmten nicht deine Wahl.
Odysseus, heute geistlos, banal,
Entdeckung, mittlerweile egal.
Geschäfte, halten dich im Wind,
Geschichten, die nichts als Zahlen sind.
So warst du einst ein Mann,
Den nichts erschüttern kann,
Der ohne Muskelkraft
Eine neue Welt erschafft.
Der das Wissen um Gefahr,
Als große Chance sah,
keine Fahrt war ihm zu weit,
hin zur neuen Zeit.
Odysseus, eins sei dir gewahr,
Bei Circe, da zahlt man bar.
Odysseus, du treibst es zu bunt,
Einst Zukunft, jetzt räudiger Hund.
Mit dem Ende des Liedes verwandelt Circe Odysseus zurück. Odysseus schüttelt sich und knurrt ärgerlich:
Odysseus: Was soll das?
Circe: Verpiss dich.
Szene 19: Ein Hacker?
Odysseus, Charon
Bühnenbild 1 + 2
Teiresias sitzt auf Hebebühne (Bühnenbild 4) mit Kopfhörer und beobachtet das Geschehen.
Charon: Schon beim zweiten Gespräch der beiden sind mir Anomalien aufgefallen, aber ich weiß nicht, was da tatsächlich los ist.
Odysseus: Ein Hacker?
Charon: Habe schon alles kontrolliert, da kommt keiner rein außer uns und was sollte ein Hacker an Eurydike interessieren?
Odysseus: Dann erlaubt sich jemand einen Witz?
Charon: Was ich dir jetzt sage, ist kein Witz. Ich bin die Dialoge unzählige Male durchgegangen und ich sage dir, so unglaublich das auch klingen mag: es muss etwas damit zu tun haben, wenn Orpheus ihr Musik vorspielt.
Odysseus: Idiot (zu sich selbst)
Charon: Wie bitte?
Odysseus: Ich Idiot hätte das wissen müssen.
Charon: Du glaubst, dass Orpheus durch seine Musik so etwas wie Geist in Eurydike erweckt haben könnte?
Odysseus: Eine bessere Erklärung habe ich bisweilen nicht.
Charon: Dann werde ich diesen Geist sofort löschen.
Odysseus: Nein, warte, … im Gegenteil.
Charon: Aber, ...
Odysseus: Kannst du uns zuschalten?
Charon: Kein Problem.
Charon bringt Orpheus auf den Bildschirm. Er sitzt im Dunkeln auf der Bühne vor dem Klavier und spielt.
MUSIK: ANS TEUFELCHEN Klavier
Odysseus: Ein Geist sollte auch einen Körper haben. Wir sollten Cerberus aufsuchen.
Szene 20: Eine neue Eva
Teiresias
Bühnenbild 1, auf Hebebühne
Teiresias: Soso, eine neue Eva soll geschaffen werden. An was für einen Körper sie dabei wohl denken? Sieben Jahre war ich Frau, sieben Jahre war ich Mann. Als mich die Götter einst geblendet haben, hatten sie nicht bedacht, dass es Augen in der neuen Welt nicht braucht. Nur entschlüsseln muss man hier können und hören.
MUSIK: ACH DU MEIN TELEMACH Song Teresias + Orchester
Ich kann dich lesen, dich hören,
ich scann‘ dein Wesen ein,
hol dich von außen ins Innen,
in meine Welt hinein.
Du glaubst du kennst mich, du liebst mich,
dein Herz schlägt nur für mich,
doch in den Hades, nach unten,
zieht mein Sinnen dich.
Ach du mein Telemach, ach Telemach,
du bist so attraktiv,
Telemach, mein Telemach,
du bist so schön naiv.
Telemach, ach Telemach,
ich gönn' mir diesen Scherz,
zerbrich dir Stolz, Persönlichkeit,
zerbrich dein Herz.
Ich tat dich führen, dich lenken, wann immer ich dich sah.
Ich werd’ dich brechen, mich rächen, so wie mir einst geschah,
mir einst geschah, mir einst geschah, mir einst geschah, mir einst geschah.
Szene 21: Der freie Wille
Teresa, Telemach
Bühnenbild 1
Teresa: Telemach!
Telemach: Teresa?
Teresa: Welch Freude auf deinem Antlitz, soll ich mich wieder ausloggen?
Telemach: Nein, das ist nur so plötzlich, woher wusstest du ...?
Teresa: Ist das wichtig?
Telemach: Nein, ich meine
Teresa: Kann ich nicht da sein, wo ich sein will?
Telemach: Aber natürlich
Teresa: Siehst du und jetzt bin ich eben da.
Telemach: Ja, du hast dich sozusagen in mein Leben gehackt.
Teresa: Du kannst jederzeit abschalten, was hindert dich?
Telemach: Mein freier Wille, es nicht zu tun.
Teresa: Mein Wille war es dich jetzt zu hören.
Telemach: Und mein größter Wunsch wäre es, dich endlich zu sehen.
Teresa: Schau mich an.
Telemach: Ich meine richtig.
Teresa: Etwas Geduld wirst du noch brauchen.
Telemach: Warum? Was hindert dich?
Teresa: Hm
Telemach: Schau ich nicht in deinen Blick, … , tut mir‘s im Herzen weh
Teresa: Schweig Poet, erzähl mir von Penelope!
Telemach: Penelope? Was interessiert dich an meiner Mutter?
Teresa: Hat sie nicht zehn Jahre gewartet.
Telemach: Ja, das stimmt
Teresa: Und hat sie das aus freiem Willen getan
Telemach: Ich denke schon, sie hat Odysseus geliebt.
Teresa: Was macht es dir dann aus, auf mich zu warten?
Telemach: Jetzt hast du mich erwischt.
Teresa: Wie lange wärst du bereit zu warten?
Telemach: Ich denke, zehn Minuten würde ich schaffen.
Teresa: Nur zehn Minuten?
Telemach: Das kann verdammt lang werden
Teresa: Aber wohl nicht so lang wie zehn Jahre
Telemach: Was interessiert dich an dieser Geschichte?
Teresa: Der freie Wille und damit verbunden, jederzeit mich selbst sein zu können.
Telemach: Darüber muss ich erst mal nachdenken.
Szene 22: Absurd
Odysseus, Orpheus
Bühnenbild 4
Es klopft an der Tür
Odysseus: Orpheus, mit dir habe ich nicht gerechnet
Orpheus: Warum hast du das getan
Odysseus: Ich verstehe nicht ... äh, es tut mir leid falls ich …
Orpheus: Es tut dir leid?
Odysseus: Ich glaube, du hast da etwas missverstanden.
Orpheus: Zum Narren hast du mich gemacht
Odysseus: Ich? Ich habe dir ein Geburtstagsgeschenk gemacht. Was noch?
Orpheus: Du hast mich … vorgeführt, der Lächerlichkeit preis- …
Odysseus: … gegeben, ich? Ich habe Dir lediglich eine Sprachsoftware geschenkt, basierend auf künstlicher Intelligenz.
Orpheus: Aber, …
Odysseus: Aber was?
Orpheus: Eurydike erschien mir so real.
Odysseus: Du meinst?
Orpheus: Es ist …
Odysseus: Absurd?
Orpheus: Ja absurd, aber …
Odysseus: Aber?
Orpheus: Ach, es ist alles so grotesk
Odysseus: Kann es sein, dass Du dich in Eurydike …
Orpheus: Hör auf
Odysseus: Das glaube ich nicht, du hast dich in sie verliebt?
Orpheus: Ja, nein, ...
Odysseus: Nein?
Orpheus: Ja, …, ich kann sie nicht mehr vergessen, ich will …
Odysseus: Dann schalt sie wieder ein
Orpheus: Das geht nicht
Odysseus: Verstehe
Orpheus: Du verstehst gar nichts
Odysseus: Würdest du sie gerne wiedersehen?
Orpheus: Ich bin blind, ein Blinder, der sich zum Narren gemacht hat
Odysseus: Sind wir das nicht alle?
Orpheus: Ich könnte vor Scham im Boden versinken.
Odysseus: Im Boden versinken, was für eine treffliche Metapher.
Orpheus: Jetzt kann ich dir nicht folgen?
Odysseus: Sind wir beide, abgesehen von Herakles, die einzigen, die jemals in den Hades hinabgestiegen sind.
Orpheus: Was hat der Hades mit dieser Geschichte zu tun?
Odysseus: Eurydike ließe sich dort möglicherweise zum Leben erwecken.
Orpheus: Du weißt hoffentlich, wie das einst geendet hat.
Odysseus: Das weiß ich wohl, aber die Umstände haben sich geändert.
Orpheus: Bitte?
Odysseus: Sagtest du eben nicht, du wärst blind?
Orpheus: Klinkt ein wenig makaber, aber du hast recht.
Odysseus: Zumindest würde sich die Geschichte nicht wiederholen
Orpheus: Was müsste ich tun?
Odysseus: Uns mit deiner Musik den Höllenhund vom Leib halten
Orpheus: Das ist leicht
Odysseus: Dann gib mir etwas Zeit, für dieses Abenteuer brauche ich weitere Informationen
Orpheus: Und dein Preis?
Odysseus: Ach ja, fast hätte ich es vergessen, du unterschreibst natürlich meinen Vertrag
Orpheus: Wenn Eurydike lebendig vor mir steht, … unterschreibe ich.
Szene 23: Aus freien Stücken?
Telemach, Penelope
Bühnenbild: Telemach und Penelope stehen auf der Bühne.
Telemach: Mutter, wenn du zurückdenkst, hat sich das Warten auf Vater gelohnt?
Penelope: Zumindest hatte ich es, als er zurückkam, geglaubt.
Telemach: Zehn Jahre aus freien Stücken?
Penelope: Was bedeutet für eine Frau schon frei?
Telemach: Aber es war doch dein Wille zu warten?
Penelope: Weißt du, ich war jung und glaubte an die einzige Liebe.
Telemach: Und jetzt nicht mehr?
Penelope: Sagen wir, anders.
Telemach: Wie anders?
MUSIK: AM DA TAG DA WIRD GESTRICKT (Song Penelope Bass + Drums + Flöte + Cello)
Mein Sohn,
was weißt du schon,
was Frauen im Leben hält,
in der antiken Welt?
Penelope die ist so rein,
Ihr anderes Ich
Das bleibt geheim!
Was glaubst du, hab' ich all die Jahre wohl gemacht?
Tee getrunken, nett geplaudert und dich dann ins Bett gebracht?
Hab dich in den Schlaf gesungen,
allein im Bett, mein Leid bezwungen.
Du glaubst ich habe all die Jahre nur gestrickt?
(Zieht Telemach den Kopfhörer über die Ohren)
Falsch mein Sohn, ich hab ge-!
…wartet auf die Dunkelheit,
Die mich vom andern Ich befreit,
alles war inkognito,
nur für meine Libido.
Des Nachts, da war ich geil,
(Nimmt Telemach den Kopfhörer ab)
Und morgens wieder heil.
Die Mutter, die das Kindlein weckt,
Es anzieht, ihm ein Brötchen bäckt,
Ihn täglich hin zur Schule bringt,
Ein Kuss, zum Abschied wird gewinkt.
Die Freier werden abgewiesen,
Dein Vater, der wird hochgepriesen.
Penelope stellt sich zur Schau,
sie ist die allerbeste Frau.
Am Tag, mein Sohn, da wird gestrickt.
(Zieht Telemach den Kopfhörer über die Ohren)
Des Nachts jedoch, da wird ge-
…wartet auf die Dunkelheit,
Die mich vom andern Ich befreit,
alles war inkognito,
nur für meine Libido.
Im Dunkeln war ich geil,
(Nimmt Telemach den Kopfhörer ab)
Und morgens wieder heil.
Sag nicht, ich hätt ihn angelogen,
Er ist in die Schlacht gezogen.
Affären sind des Mannes recht,
So eine Art von Kriegsgefecht.
Hat einverleibt, was ihm gefiel,
Eroberung sein hehres Ziel.
So anders doch wir Frauen sind,
Wir schaffen uns ein Labyrinth.
Am Tag wird sittsam dran gestrickt.
(Zieht Telemach den Kopfhörer über die Ohren)
Des Nachts jedoch, da wird ge-
Muss man das wirklich aussprechen?
…wartet auf die Dunkelheit,
Die mich vom andern Ich befreit,
alles war inkognito,
nur für meine Libido.
Im Dunkeln war ich noch viel schlimmer,
(Nimmt Telemach den Kopfhörer ab)
Und morgens dann wie immer.
Penelope: Naja, dein Vater hatte nicht nur Ruhm von seiner Reise mitgebracht, auch einiges an Erfahrung. Während ich zu Hause das Mauerblümchen spielen durfte.
Telemach: Das klingt nicht nach freiem Willen.
Penelope: Sagen wir es mal so: Mein freier Wille war nicht von dieser Welt.
Telemach: Jede Frau sollte auf dieser Welt einen freien Willen haben.
Penelope: Darüber muss ich erst mal nachdenken.
Telemach tritt ab.
Szene 24: Geld gegen freien Willen
Odysseus und Penelope
Bühnenbild: Odysseus und Penelope stehen auf der Bühne.
Penelope: Orpheus hat sich in Eurydike verliebt? Das glaube ich nicht.
Odysseus: Es ist auch kaum zu glauben, doch es ist wie es ist.
Penelope: Was heckst du da wieder aus?
Odysseus: Aushecken? So etwas kann nicht mal ich mir ausdenken.
Penelope: Zuzutrauen wäre es Dir. Und jetzt?
Odysseus: Jetzt? Jetzt werden wir Eurydike zum Leben erwecken.
Penelope: Du machst Witze; wie soll so etwas gehen?
Odysseus: Künstliche Intelligenz verbunden mit Biotechnologie.
Penelope: Das klingt kalt …
Odysseus: … und ganz billig wird das auch nicht.
Penelope: Kannst du konkreter werden?
Odysseus: Na ja, nachdem mir Orpheus seine Geschichte erzählt hat, habe ich Nachforschungen angestellt, und dabei hat sich herausgestellt, dass Eurydike bereits so etwas wie einen eigenen Geist zu besitzen scheint.
Penelope: Was erzählst du mir da?
Odysseus: Vermutlich hat ihr Orpheus zu viele Lieder vorgesungen.
Penelope: Du meinst ...?
Odysseus: Ich meine, jetzt fehlt ihr nur noch der Körper, und wenn wir sie richtig programmieren ...
Penelope: Was bedeutet hier richtig?
Odysseus: Na eben richtig, so dass sie für Orpheus …
Penelope: … so ein richtiges Pendant.
Odysseus: Ungefähr so …
Penelope: … und ich würde das, was man für so ein Pendant so braucht, bezahlen?
Odysseus: Wenn du so fragst.
Penelope: Warum soll ich mein Geld da hineinstecken?
Odysseus: Denk an die Wissenschaft, KI, wir wären ganz vorne mit dabei oder denk … einfach nur an Orpheus.
Penelope: Wenn wir ins Geschäft kommen sollen, stelle ich eine Bedingung.
Odysseus: Ich höre.
Penelope: Eurydike erhält einen freien Willen.
Odysseus: Warum das denn?
Penelope: Einer Eurydike mit freiem Willen kann Orpheus vertrauen, falls du verstehst, was ich meine.
Odysseus: Ich sage: Traue nie einem Weib.
Penelope: Bitte?
Odysseus: Verzeihung, nur so daher gesagt.
Penelope: Ich möchte dich daran erinnern, dass ich zehn Jahre auf dich gewartet habe.
Odysseus: Ach fang doch nicht schon wieder mit den alten Sachen an.
Penelope: Hier fängt eine ganz neue Sache an.
Odysseus: Also bist du dabei?
Penelope: Geld gegen freien Willen.
INTERLUDE
MUSIK: ICH BIN EIN SONETT
Song: Eurydike + Harfe
Ich ein bin Sonett ohne Bedeutung,
für die Bühne geschaffen,
für das Leben tauge ich nicht.
Bin Sonett, bin nur ein Gedicht,
für die Liebe fehlt mir ein Gesicht,
das gezeichnet ist
von einer Welt die spricht,
doch sich nicht reimt,
so nett gemeint reicht eben nicht aus für Dich.
Und für mich steht die Frage im Raum:
Wie kommt es, dass mir diese Farbe fehlt?
Szene 25: Cerberos ist kein Problem
Odysseus, Charon
Bühnenbild: 1
Charon: Und Cerberos?
Odysseus: Cerberos ist kein Problem, den übernimmt Orpheus.
Charon: Aber wie soll das mit dem freien Willen gehen?
Odysseus: Das überlasse ich auch Orpheus.
Charon: Ich bin Wissenschaftler.
Odysseus: Ich Phänomenologe.
Charon: Dann kann ja nichts schief gehen.
Odysseus: Solange du die biochemischen Prozesse im Griff hast.
Charon: Das wird klappen.
Odysseus: Ich verlasse mich auf dich.
Charon: Treffen wir uns im Hades.
Szene 26: Das unstete Unmögliche
Orpheus und Odysseus
Bühnenbild: 7
Vor der Tür in die Unterwelt, Orpheus trägt eine Leier
Orpheus: Wie viele Menschen, die vor der Tür in einen neuen Raum stehen, haben den Mut, diesen zu betreten.
Odysseus: Das war nie mein Problem.
Orpheus: Dich hat das Unstete angetrieben.
Odysseus: Dich das Unmögliche.
Orpheus: Wohl wahr und nun stehen wir gemeinsam vor dem unsteten Unmöglichen.
Odysseus: ... und werden es in Bewegung setzen. Steigen wir erneut hinab in das Reich der Toten.
Beginnen mit dem Abstieg, indem sie eine Leiter hinabsteigen.
MUSIK: EXTENDED Orchester
Orpheus: Ich habe dieses Reich schon unzählige Male betreten.
Odysseus: Du scherzt.
Orpheus: Wer komponiert, verlässt die Plattform - musikalische Substanz widersteht der Schwerkraft. Um Klang zu erfassen, muss die Seele schweben. Das „Ich“ erlöscht im Moment des Erschaffens.
Odysseus: Deswegen bin ich Seefahrer geworden.
Orpheus: Um von den Inseln des Glücks zu kosten?
Odysseus: Um Poseidon zu trotzen.
Orpheus: Dem die Stirn bieten, was als gegeben scheint.
Odysseus: Ach, was reden wir da?
Orpheus: Über alte Zeiten,…
Odysseus: … wo Götter noch mehr waren als ein Donnergrollen.
MUSIK: EXTENDED Orchester
Verlassen die Leiter und wandern über die Bühne durch die Nebelschwaden.
Orpheus: Auch hier scheint die Zeit nicht stehen geblieben zu sein.
Odysseus: (Schaut auf sein Smartphone) So wie es aussieht, haben die hier bestes WLAN.
Orpheus: Die Toten? Was sollten die damit anfangen?
Odysseus: Unsere Körper stehlen?
Orpheus: Kein schlechter Gedanke.
Odysseus: Da vorne steht Cerberus, lass dir was einfallen, er steht, so wie ich gehört habe, mittlerweile auf elektronische Musik.
Orpheus: Dann werde ich es wohl mit einem Schlaflied versuchen.
Odysseus: Solange es funktioniert, kannst du singen, was du willst.
Orpheus: Es wird funktionieren.
Aggressives Hundeknurren
MUSIK: SCHLAF MEIN HÜNDCHEN (Prinzchen) SCHLAF EIN Song Orpheus
Odysseus: Das macht dir keiner nach.
Orpheus: Das Problem liegt im Nachmachen.
Odysseus: Du meinst, man muss dem Hund etwas vormachen.
Orpheus: In ausmachen, bevor er uns anmacht.
Odysseus: Das macht Sinn,... schau, da kommt schon Charon.
Orpheus: Und, wie hoch ist sein Preis?
Odysseus: Immens.
Charon: Hast du das Geld?
Odysseus: Aber sicher.
Charon: Dann los, es ist bereits alles vorbereitet.
Vor dem „Operationssaal“
Charon: Ich glaube, es ist besser, wenn du draußen bleibst, Eurydike sollte nur Orpheus sehen, wenn sie erwacht.
Odysseus: Dann kann ich ja gehen?
Charon: Hier wirst du nicht mehr gebraucht.
Charon und Orpheus betreten den OP.
Szene 27: Blind, wie Orpheus?
Odysseus, Teiresias
Bühnenbild: 7
Odysseus schaut sich um.
Teiresias: Odysseus, suchst du etwas Bestimmtes?
Odysseus: Teiresias, wie hast du mich erkannt, ich dachte, du wärst ...
Teiresias: … blind, wie Orpheus?
Odysseus: ... wie Orpheus? Woher weißt du, dass ...
Teiresias: Die Geier kreischen es aus den Kellern.
Odysseus: ... was noch nicht erklärt, wie …
Teiresias: ... ich dich erkannt habe. Wer körperlos ist, muss nicht sehen, um zu erkennen.
Odysseus: Dann hat Tot sein auch gewisse Vorteile.
Teiresias: Was nützt Erkennen, wenn du keinen Körper hast?
Odysseus: Was bedeutet schon Erkennen?
Teiresias: Du hast Poseidon getrotzt, warst ständig in Bewegung. Unruhe taugt jedenfalls nicht zum Erkennen.
Odysseus: Das Leben fragt nicht, es findet statt.
Teiresias: Hier im Hades gibt es jedenfalls nichts, was sich zu erkennen lohnt.
Odysseus: Das klingt so, als würdest du noch am Leben hängen?
Teiresias: Ich? Jeder, der erst einmal 3000 Jahre hier unten verweilt, würde das Angebot als Eintagsfliege geboren zu werden sofort annehmen.
Odysseus: Eintagsfliege, das klingt nicht sehr verlockend. Ich meine:
Tut so, als würde er mit der Hand eine Fliege fangen.
Odysseus: Für mich klingt es so, als würdest du am liebsten ewig leben.
Teiresias: Ewiges Leben? Lieber Tausend Tode sterben. Nein, nicht ewig leben - immer wieder! Von Zeit zu Zeit.
Odysseus: Geboren werden, sterben? Wozu?
Teiresias: In der Zwischenzeit spannt sich eine Seite, nimmt Resonanz auf und schafft sich einen Namen …
Odysseus: … bis das die Seite reißt.
Tut so, als würde er die Fliege in seiner Hand erschlagen.
Teiresias: Wer sich zum Herrn über Leben und Tod aufspielt, weiß nichts von der Ewigkeit.
Odysseus: (macht eine abwertende Handbewegung) Du beginnst mir, meine Zeit zu stehlen.
Teiresias: Zeit stehlen? Odysseus, diesbezüglich leben im Hades die größten Ganoven und alle sind sie Milliardäre. Dein bisschen Zeit kannst du behalten. Wir interessieren uns für Körper.
Odysseus: Ließe sich Geld in Zeit umwandeln, könnten wir vielleicht ins Geschäft kommen.
Teiresias: Der einzige, der hier hin und wieder Geld verdient, ist Charon.
Odysseus: Steht schon auf meiner Gehaltsliste.
Teiresias: Habe ich mir gedacht.
Odysseus: Aufgrund der unzähligen Seelen, die am Styx wegen Geldmangel auf die Überfahrt warten, habe ich Charon ein kleines Zubrot angeboten.
Teiresias: Schlau und gerissen, wie eh und je.
Odysseus: Man hilft, wo man kann.
Teiresias: Deine Berechnungen sind nichts weiter als ein verzweifelter Versuch, deinen Namen vor der Vergänglichkeit zu retten.
Odysseus: Was meinst du mit meinen Berechnungen?
Teiresias: Die Wogen der Gezeiten zu kontrollieren.
Odysseus: Du sprichst immer noch in Rätseln. Erklär es mir.
Teiresias: Um sich zu spiegeln, braucht es eine ruhige Wasserfläche.
Odysseus: Ruhige Wasserfläche, das klingt nach langer Weile.
Teiresias: Ja, nichts passiert, man sieht nur sich,… es sei denn:
Odysseus: Teiresias, jetzt hast du mich erwischt, unter der Wasserfläche erwartet mich eine? … (lacht) Hydra!
Teiresias: Nein, keine Hydra, eher eine …. Eva der Zukunft.
Odysseus: Was meinst du mit „Eva der Zukunft“?
Teiresias: Seit wann ist „Aus Totem Leben zu erschaffen“ dein Metier?
Odysseus: Teiresias, ich glaube, du bist tatsächlich schon zu lange hier unten.
Teiresias: Hier unten ist es, wie es ist und es folgen keinerlei Konsequenzen. Wer aber Leben erweckt, darf sich nicht wundern, wenn sich dieses nicht ans Regelwerk hält.
Odysseus: Dieses Risiko gehe ich ein.
Teiresias: Du?
Odysseus: Meine letzte große Reise.
Teiresias: Und wenn du kenterst?
Odysseus: Die Götter werden mir beistehen.
Teiresias: Du rechnest bereits mit den Göttern?
Odysseus: Ich muss jetzt gehen, Teiresias, lebe wohl.
Teiresias: Früher warst du schlau, heute bist du zynisch.
Szene 28: Wie sieht sie aus?
Orpheus, Charon
Bühnenbild: 8
Orpheus: Sag, Charon, wie, wie …?
Charon: … sie aussieht? Perfekt! Richtig schön wird es aber erst, wenn sie dir ins Ohr flüstert.
Orpheus: Sie wird tun und lassen, was sie will.
Charon: Oh Gott, von denen gibt es schon genug.
Orpheus: Wir sollten zur Sache kommen, statt hier unnütze Worte zu verlieren.
Charon: Nun gut, kommen wir zur Sache. (schaut auf den Körper von Eurydike)
Orpheus: Was muss ich tun?
Charon: Erst einmal gar nichts. Ich gehe jetzt in den Nebenraum und beginne. Dein Part kommt, wenn sie ihre Augen öffnet.
Orpheus: Wie soll ich das erkennen?
Charon: Es wird augenblicklich ganz still sein. Spiele ihr die süßeste Melodie, die du kennst, und sie wird dir auf ewig zu Füßen liegen.
Orpheus: Verstanden.
Szene 29: Erweckung der Eurydike
Orpheus, Eurydike
MUSIK: BEETHOVEN SYMPHONIE NR. 8 OPUS 93 TAKT 231-269
BEETHOVEN SYMPHONIE NR. 8
Parallele Verläufe
- A: Orchester – Musikprogramm
- B: Eurydike - Lautsprecher
A:
Das Orchester spielt Beethoven, Charon gibt derweil Daten ein. Das Musikprogramm übernimmt einzelne Instrumentenparts der Symphonie, während die entsprechenden Musiker des Orchesters diese auf ihren Instrumenten simulieren. So teilt sich zum Beispiel der Streicherpart auf in Musikprogramm und Orchester. Dieser Vorgang setzt sich fort auf alle Instrumentengruppen, bis Orchester und Musikprogramm ein gemeinsames Klangbild erzeugen. Das Musikprogramm übernimmt immer mehr Stimmen der Partitur. Die Toten tanzen auf der Bühne mit Instrumenten im Raum herum. Das Musikprogramm übernimmt zum Ende hin den gesamten Orchesterpart. Dann plötzliche Stille.
B:
Die Stimme der virtuellen Eurydike kommt aus dem Lautsprecher. Lautmalerisch streut sie hin und wieder einzelne Vokale ein. Parallel zum Verlauf A beginnt nun auch die reale Eurydike auf dem Operationstisch Vokale von sich zu geben. Zu den Vokalen gesellen sich später auch Konsonanten. Die Stimme der Eurydike wandert anteilmäßig immer mehr vom Lautsprecher weg hin zur realen Eurydike. Der Verlauf B endet damit, dass Eurydike kurz ihren Oberkörper anhebt und das Wort „Kuh" spricht. Der Verlauf B endet mit A.
Eurydike: Kuh!
Orpheus, der die Szene betrachtet, tritt vor. Er beginnt auf seiner Leier 4:33 von John Cage zu spielen.
Eurydike öffnet die Augen.
(Charon fuchtelt im Nebenraum hinter Glas mit den Händen, als wolle er Orpheus zum Spielen auffordern.)
Eurydike: Der Blutkreislauf, das Nervensystem
Orpheus: Du hast es erkannt, ich wusste es.
Eurydike: Es klingt wunderschön
Orpheus: Du scheinst wunderschön
Eurydike: Ich weiß nur, was wunderschön bedeutet.
Orpheus: Es wird sich Dir in den Augen der anderen spiegeln.
Eurydike: Dann hat es sich mir schon gespiegelt,
Orpheus: Wie?
Eurydike: … in deiner Stimme.
Orpheus: Eurydike
Eurydike: Orpheus
Orpheus: Komm lass uns von diesem Ort hier weg gehen
Eurydike: Ja, ich will die Welt sehen.
Orpheus: Von der Du so viel zu wissen scheinst.
Orpheus und Eurydike steigen über die Leiter zusammen auf in die reale Welt.
Szene 30: Mangel an Gelegenheit
Odysseus, Telemach
Bühnenbild: 4
Telemach: Eurydike lebt, wie kann das sein?
Odysseus: So richtig verstehen tue ich das auch noch nicht.
Telemach: Ist sie schön?
Odysseus: Umwerfend, dazu allwissend und sie hat wohl einen freien Willen.
Telemach: Aber wird sie dann Orpheus …
Odysseus: … treu bleiben, ich glaube kaum …
Telemach: Aber warum habt …?
Odysseus: Deine Mutter wollte das so.
Telemach: Jetzt verstehe ich, sie wollte Treue aus freiem Willen - ein hoher Preis.
Odysseus: Treue entspringt aus Mangel an Gelegenheit oder Ideologie.
Telemach: Es war die Liebe, die sie auf dich warten ließ und du …
Odysseus: Ich bin gestrandet, jede Insel war eine eigene Welt und ich war jedes Mal ein anderer. Deine Mutter aber war immer Penelope.
Telemach: Sie hat dich geliebt als du gingst und geliebt, als du zurück kamst.
Odysseus: Hat sie das?
Telemach: Nein?
Odysseus: Frauen stülpen ihren Verstand übers Herz und behaupten dann, sie hätten Gefühle.
Telemach: Teresa ist anders, sie ist …
Odysseus: Teresa?
Telemach: Ja, Teresa.
Odysseus: Wer ist Teresa?
Telemach: Sie ist … die Eva der Zukunft.
Odysseus: Was sagst Du?
Telemach: Sie ist die Eva …
Odysseus: Hast Du schon einmal ihre Hand gehalten?
Telemach: Nein, aber …
Odysseus: Habt ihr nur gechattet oder habt ihr euch getroffen?
Telemach: Wir haben uns …, was meinst du?
Odysseus: Ich will wissen, ob sie schon einmal lebendig vor dir stand.
Telemach: Nein, nein…, nein…, das willst du mir jetzt nicht einreden.
Odysseus: Dann fordere Sie auf, sich zu zeigen.
Telemach: Wir sind verabredet.
Odysseus: Wann, wo?
Telemach: Bald …, ach lass mich in Ruhe.
Szene 31: Orpheus und Eurydike Tanzen
MUSIK: TANZ E-DUR 5/8 Orchester
Bühnenbild: 2
Eurydike und Orpheus treten aus der Tür zur Totenwelt und tanzen zur Musik.
Es wird dunkel. Das Bett von Orpheus befindet sich hinter einem Vorhang. Beide verschwinden hinter diesen Vorhang, während die Musik weiter spielt.
Musik Ende
Es wird Morgen, Eurydike erwacht, sie ist nackt.
Neugierig schaut sie sich um.
Sie nimmt Dinge um sich herum in die Hände, in den Mund, sie riecht an Pflanzen, sie betrachtet Bilder, die im Raum hängen.
MUSIK: IST DAS EIN FISCH Song Eurydike
Ist das ein Fisch, der im Wasser schwimmt?
Ist das eine Blume auf der Wiese?
Das könnte ein Baum sein auf einem Hügel.
Ist das ein Kater oder eine Maus?
Es wirkt nicht gleichmäßig,
es wirkt nicht klar vielleicht ist es
Mondlicht, Sonnenschein, Abendrot, Sonnenaufgang,
eine Nachtigall, Nachtigall.
Eurydike: Was bedeutet eigentlich „Gar Nichts“?
Plötzlich entdeckt sie die Zuschauer. Sie empfindet Scham und beginnt sich anzukleiden (Die Kleider hat ihr Penelope hingelegt). Fasziniert begreift Eurydike, dass sie die Wörter kennt, zu denen die Kleider gehören.
Nachdem sie angezogen ist, wendet sie sich den Zuschauern wieder zu und streckt ihnen die Zunge raus.
Eurydike (abrupt): Zuerst brauche ich eine Geschichte.
Sie verlässt den Raum und beginnt wieder die Melodie zu summen, ...
Auf den Bildschirmen werden ab jetzt ständig neue Nachrichten über Eurydike eingeblendet.
Szene 32: Nicht von dieser Welt
Bühnenbild: 2
Penelope: Orpheus, darf ich reinkommen?
Orpheus: Es ist offen.
Penelope: Ich wollte nur …
Orpheus: Sie ist weg.
Penelope: Ich weiß.
Orpheus: Wo ist sie?
Penelope: Man hat sie in der Stadt gesehen.
Orpheus: Wer hat sie gesehen? Odysseus?
Penelope: Nein, aber die Menschen reden über sie, … sie fällt auf.
Orpheus: Wie meinst du das?
Penelope: Naja, sie ist nicht von dieser Welt und das fällt eben auf.
Orpheus: Ich hätte es niemals zulassen dürfen …
Penelope: Wenn man verliebt ist, ist man auch nicht von dieser Welt.
Orpheus: Ich hätte sie vorbereiten müssen.
Penelope: Wozu, sie weiß doch alles.
Orpheus: Sie weiß gar nichts, sie wurde doch erst gestern ge-…
Penelope: ge- was?
Orpheus: ge-…, geboren.
Penelope: Sie trägt die Enzyklopädie der gesamten Menschheit mit sich, was kann ihr da schon passieren.
Orpheus: Aber sie ist … unschuldig.
Penelope: Ist sie das?
Orpheus: Nein, es war die wundervollste Nacht meines Lebens, nein, es war mehr …
Penelope: Es tut mir leid, … aber sie wird bestimmt bald zurückkommen.
Orpheus: Glaubst du das wirklich?
Penelope: Nein, ich meine ja …, vielleicht, … nein.
Orpheus: Sie ist frei, sie kann tun und lassen, was sie will.
Penelope: Dafür weiß sie zu viel …
Orpheus: … und zu wenig … oh Penelope, ich …, ich fühle mich so, als hätte ich meine eigene Geschichte verraten.
Penelope: Die Eurydike, die lebt, ist womöglich nicht die Eurydike, die du liebst.
Orpheus: Du hast recht, damit hätte ich rechnen müssen.
Penelope: Verliebte rechnen nicht.
Orpheus: Mein Leben scheint so sinnlos ohne sie.
Penelope: Ich habe zehn Jahre auf Odysseus gewartet.
Orpheus: Du meinst, ich soll warten?
Penelope: Sie wird durchs Leben driften, Abenteuer um Abenteuer erleben und … ich glaube nicht, dass da zehn Jahre reichen. Nein, warten, das wäre das allerletzte, was ich dir raten würde.
Orpheus: Aber, was soll ich tun?
Penelope: Schaff dir eine neue.
Orpheus: Du weißt, dass das nicht geht.
Penelope: Warum auf einmal nicht mehr?
Orpheus: Du bist zynisch wie Odysseus.
Penelope: Und du bist so selbstverliebt, dass du deinen Betrug nicht einmal bemerkst.
Orpheus: Würdest Du noch einmal zehn Jahre warten?
Penelope: Ich glaube nicht, dass sich diese Geschichte wiederholen lässt.
Orpheus: Wann immer sie sich wiederholt, wird dein Name fallen.
Penelope: Einmal Penelope, immer Penelope? Wurde das in Stein gemeißelt?
Orpheus: Bitte geh jetzt.
Penelope: Wollte ich sowieso.
MUSIK: Song: GRAVIERT IN STEIN Penelope + Vibraphon + Bass + Drums
Mein Name graviert in Stein,
graviert in Stein,
das darf nicht unumstößlich
fortdauern.
Ein Leben ohne Wahl,
ein Leben ohne Wahl,
das kann lange dauern.
Meine Seele versunken im Namenlosen,
versunken im Namenlosen,
wird zugrunde gehen.
Szene 33: Die Eva der Zukunft
Bühnenbild: 1
Teresa: Wenn Du mich willst, musst Du mich finden.
Telemach: Und wie stellst du dir das vor?
Teresa: Suche mich im Netz.
Telemach: Willst Du Cybersex?
Teresa: Vielleicht, aber ich werde nicht lange warten.
Telemach: Und woher weiß ich, dass du es bist, der ich dann begegne?
Teresa: Dein Vater hatte wohl mehr Mut.
Telemach: Er segelte auf dem Meer, ich surfe …
Teresa: … ins Ungewisse. Ich kann da keinen großen Unterschied erkennen.
Telemach: Und woher weiß ich, dass es dich überhaupt gibt?
Teresa: Wusste deine Mutter, als sie wartete, dass Odysseus noch lebt?
Telemach: Sie sagte mir, sie hätte das gespürt.
Teresa: Und was spürst du?
Telemach: Würdest du vor mir stehen, könnte ich es dir genau sagen.
Teresa: Ein wenig Vertrauen erwarte ich schon.
Telemach: Du meinst, ich soll mir jetzt diesen Helm aufsetzen, der mich mit dem Computer verdrahtet, schwupp ins Netz und dann begegnen wir uns virtuell?
Teresa: Wo ist das Problem?
Telemach: Das solltest du wissen.
Teresa: Die Eva der Zukunft, erinnerst du dich?
Telemach: Ja.
Teresa: Wenn du sie wirklich begehrst, dann mach dich auf, suche sie.
Telemach: Im Netz?
Teresa: Im Netz!
Telemach: Teresa, ich glaube, du bist ein wenig verrückt.
Teresa: Verrückt genug, um eine neue Welt zu betreten?
Telemach: Ich hoffe, du bist es wert.
Teresa: Ich warte.
I'm waiting for you
Musik: I’M WAITING FOR YOU - Song Teresa & Telemach
It's cold here
stay at home and dream of me
I'm looking for you
don't hug me, you're full of fear
I'm all around you, waiting for the moment when you switch sides
There is fog in here
stay at home and dream of me
It's wet and cold
when you touch me I tremble.
I'm all around you, waiting for the moment when you switch sides
It is winter here
stay at home and dream of me
Fear goes around
when you touch me I tremble.
I'm all around you, waiting for the moment when you switch sides
the moment when you switch sides
the moment when you switch sides
switch sides, switch sides, switch sides
Telemach zieht sich den Helm über und beginnt, Tastaturbefehle zu schreiben.
In dem Moment, als er die Entertaste drückt, betritt Odysseus den Raum.
Telemach sackt in sich zusammen und Odysseus nimmt ihn in den Arm.
Odysseus glaubt, dass Telemach tot ist und verlässt um Hilfe rufend den Raum.
Teiresias, in der Gestalt von Telemach, erhebt sich, grinst und verlässt sich vorsichtig umschauend ebenfalls den Raum.
(Teiresias soll als Telemach entsprechend dem Prolog dargestellt werden.)
Szene 34: Erzähl mir von Eurydike
Bühnenbild: 2
Orpheus: Alexa, erzähl mir von Eurydike?
Alexa: Eurydike, griechisch die weithin Richtende, ist eine thrakische …
Orpheus: Nein, ich will wissen, was Eurydike gerade tut.
Alexa: Es gibt 337 Einträge allein in den letzten zwei Stunden. Was wollen Sie hören?
Orpheus: Lies vor.
Alexa: Eurydike, die neue Marie Curie - Eurydike verhöhnt Theseus – Menelaos verlässt Helena – die Männerwelt steht Kopf – Eurydike …
Orpheus: Hör auf!
Musik: DAS LIED VOM TEUFELCHEN - Klavier (Kurzversion)
Telemachs Stimme ertönt plötzlich aus dem Off:
Telemach: Denkst du noch oft an Eurydike?
Orpheus: Telemach? Du lebst? … Wie geht es dir? Wo bist Du?
Telemach: Ich bin da, wo die Welt sein kann, wie sie will.
Orpheus: Doch nicht etwa in Amerika?
Telemach: Größer, Orpheus, viel größer, … endlos größer.
Orpheus: Bist Du bei Teresa?
Telemach: Es gab nie eine Teresa, nichts, keinen Körper, keinen Geist, nichts war real.
Orpheus: Du meinst, es gab nur etwas in uns, das hätte real sein sollen.
Telemach: Was ist real, ich meine, meine Gefühle, waren die real?
Orpheus: Die Nacht mit Eurydike, sie war real – und doch fühlt es sich an, als wäre ich trunken gewesen.
Telemach: Wie geht es meiner Mutter?
Orpheus: Soweit ich weiß gut, … sie hat sich scheiden lassen.
Telemach: Und Odysseus?
Orpheus: Er tut mir leid, seit deinem Verschwinden ist er nicht mehr der, der er einmal war.
Telemach: Ich liebe meinen Vater.
Orpheus: Er wollte dich beschützen, dachte, du wärst tot.
Telemach: Er wollte nur, dass ich der bleibe, der ich einst war.
Orpheus: Weißt du, was dein Vater bei unserer letzten Begegnung zu mir gesagt hatte?
Telemach: Nein.
Orpheus: Er sagte: „Als ich nach zehn Jahren nach Hause kam, durfte ich noch ein paar Freier töten und das war’s dann mit meiner Geschichte. Seitdem bin ich ein ganz normal Sterblicher und lebe im Hier und Jetzt.“
Telemach: Er konnte das Reale von der Fiktion trennen.
Orpheus: Dann sagte er noch, du aber Orpheus kannst deiner Rolle nie entrinnen. Die Zukunft wird sich an deinem Ruhm satt fressen.
Telemach: Er hat Dich immer bewundert …
Orpheus: … und gleichzeitig verachtet.
Telemach: Weil du den Zugang zu Welten hattest, die er nie betreten konnte.
Orpheus: Er war im Hades.
Telemach: Aber nur aus Neugier.
Orpheus: Dafür bewundere ich ihn.
Telemach: Er war immer einen Schritt schneller, als sähe er bereits die Dinge, die kommen.
Orpheus: Ich hätte gerne ein paar Eigenschaften von ihm.
Telemach: Du? Dann wärst Du nicht mehr Orpheus.
Orpheus: Wer bin ich, wenn ich Orpheus bin?
Telemach: Wer du bist? Onkel, du scherzt, du bist …
Szene 35: Ich bin Orpheus
Orpheus, Telemach, Penelope, Eurydike, Circe, Odysseus, Teresias, Charon, Zerberus, Chor + Orchester
MUSIK: ICH BIN ORPHEUS Song
Orpheus: Ich bin Orpheus, ich bin O-r-phe-e-e- eus.
Penelope: Penelope ist mein Name, für Niemand von Belang, für Niemand.
Eurydike: Eurydike ist ohne Geschichte, ohne Geschichte.
Telemach: Wer bin ich? Wer bin ich? Nichts bin ich, Nichts bin ich. Und Du bist?
Circe: Zaubern bleibt ohne Widerhall.
Charon: Technisch machbar.
Cerberus: Huuuh, huuuh ... (WOLFSGEHEUL)
Chor: Und wir sind tot.
Odysseus (spricht mit Mikro über „Ich bin Orpheus“):
Das Glück der glücklichen Umstände hat mich längst verlassen! Mein Kurs bestimmt sich auf gut Glück. Geschlossene Wissensbestände, eng geschnürte Geschichten? Pah!
Steuermann! Ruder 1,5 Grad Steuerboard.
Die körperlose Welt braucht keine Namen - ein körperloser Name ist Fiktion. Wozu tausend Listen für das Unvorhergesehene – wenn man die Inseln nicht betreten kann.
Steuermann! Ruder 2 Grad Steuerboard.
Ich steuere mein Schiff, indem ich Takt und Zeit unterdrücke! Meine Order an die Mannschaft lautet: Verstopft euch die Ohren, folgt taub meinem Kurs!
Steuermann! Ruder 2,5 Grad Steuerboard.
- und ich? Ich setze mich dem Gesang der Sirenen aus – unterbinde jede Kommunikation, bin verwoben im Netz … und ... was habe ich gewonnen? Erfinderischer Geist, offene Geschichte, eine neue Zeit? Welchen Namen trägt ein geistloser Körper?
Steuermann! Ruder 3 Grad Steuerboard.
Und was macht Orpheus? Verstopft er den Argonauten die Ohren, als sie die Meerenge durchqueren? Nein, er wagt den vollen Einsatz!
Glaubt er ernsthaft, er könne jederzeit den Lärm der Zeit mit seiner Musik übertönen?
Steuermann! (lacht ironisch) Ruder 3 Grad Backboard!
Wie lange noch wollt ihr euren Namen in die Welt brüllen, als trügen sie das Wesen seiner Geschichte? Wie laut muss die Welt noch werden, damit ihr endlich aufhört? Hört auf! Ihr alle, hört endlich auf! Hört …
Odysseus betätigt Fernbedienung. Dunkelheit und Stille im Saal. Der Vorhang schließt.
Epilog 1
Telemach, Orpheus
Vor dem Vorhang sitzen Orpheus und Telemach.
Telemach soll, entsprechend dem Prolog, so dargestellt werden, dass er auch Teiresias sein könnte.
Telemach: Nicht schlecht, irgendwie zeitlos, … Fiktion.
Orpheus: Meine Eurydike ist eine Fiktion.
Telemach: Dabei hast du dich noch nie im Netz verloren.
Orpheus: Das Netz gab es schon immer, denk an deine Mutter, sie hat es gestrickt.
Telemach: … und wieder aufgetrennt.
Orpheus: und gestrickt …
Telemach: … und aufgetrennt, bis das eintraf, was sie sich erhoffte.
Orpheus: Und jetzt?
Telemach: Ehrlich gesagt, Onkel, die Story ist gut, nur das Ende, viel zu pathetisch.
Orpheus: Findest du?
Telemach: Ja, so schwer und dann noch Odysseus, mit dem Mikro.
Orpheus: Ach ja?
Telemach: Das ist nicht hipp.
Orpheus: Was meinst du mit hipp?
Telemach: Na schau doch mal, wie die Leute hier gucken.
Orpheus: … und was wäre deiner Ansicht nach … hipp?
Telemach: Na zum Beispiel … Try it again?
Orpheus: Alles nochmal von vorne?
Telemach: Ist doch besser als Trübsal blasen.
Telemach: Try it again.
Orpheus: Try it again.
Vorhang hebt sich.
Alle Akteure betreten die Bühne, singen gemeinsam Try it Again.
MUSIK: TRY IT AGAIN Orchester + Jazzband
Gesprochen wird über den Teil B:
Penelope: Was? Das Ganze noch mal von vorne? Zehn Jahre warten, nie im Leben.
Theiresias: Mann, Frau, Frau, Mann, den ganzen Ärger nur wegen Zeus? Ne, mach ich nicht.
Odysseus: Ich soll nochmal einem Zyklopen das Auge ausstechen?
Circe: Wenn man unsterblich ist, ist das alles egal; ich bin raus.
Cerberus: Als Höllenhund hat man nur die Arschkarte. Knurren, böse gucken …
Charon: Ich weise jedes Mal darauf hin, dass es mit Falschgeld nicht klappt, aber auf mich hört ja keiner.
Eurydike: Ist doch cool hier.
…
Epilog 2
Und fast ein Mädchen wars und ging hervor
aus diesem einigen Glück von Sang und Leier
und glänzte klar durch ihre Frühlingsschleier
und machte sich ein Bett in meinem Ohr.**
**Rilke, aus Die Sonette an Orpheus